Fall Böhringer:Verurteilter Parkhaus-Mörder hofft auf neuen Prozess

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Der als Mörder seiner Erbtante Charlotte Böhringer verurteilte Benedikt T. gibt den Kampf um sein Millionen-Erbe auf. Doch was wie ein verspätetes Geständnis wirken könnte, ist in Wirklichkeit juristisches Kalkül. Dem Täter geht es um die Neuauflage des Mordprozesses - die nun dank raffinierter Schachzüge greifbar wird.

Ekkehard Müller-Jentsch

Der als Mörder seiner reichen Erbtante Charlotte Böhringer zu "Lebenslänglich" verurteilte Benedikt T. ist seit Dienstag offiziell ein armer Mann - er hat den Kampf um sein Millionen-Erbe aufgegeben. Was auf den ersten Blick wie ein verspätetes Geständnis wirken könnte, ist in Wirklichkeit juristisches Kalkül. Vorrangiges Ziel bleibt für Benedikt T. eine Neuauflage des Mordprozesses.

Wegen Mordes an seiner Tante Charlotte Böhringer, wurde Benedikt T. 2008 rechtskräftig verurteilt, nun  sind im Zivilprozess die Indizien schwer erschüttert worden. (Foto: Robert Haas)

Und sofern seine Familie weiterhin eisern zu ihm hält, wird das zumindest finanziell kein Problem sein: Denn mit seinem Erbverzicht hat Benedikt T. verhindert, dass die Millionen der Parkhausbesitzerin in die Staatskasse fließen. So hatte es nämlich das Gericht im Strafurteil eigentlich festgelegt. Doch durch einen rechtlichen Schachzug kommt nun die Familie in den Genuss des Vermögens.

Für juristische Laien ist nicht leicht zu verstehen, was da im Justizpalast abgelaufen ist. Nachdem Benedikt T. im Jahr 2008 durch Strafrichter rechtskräftig verurteilt worden war, hatte sein Bruder Mate vor einem Zivilgericht formal Klage gegen ihn eingereicht: Er wollte den Bruder für "erbunwürdig" erklären zu lassen. Tatsächlich sind die beiden ein Herz und eine Seele. Das Risiko: Sollte das Gericht dieser Klage stattgeben, würde "Bence" sozusagen ein zweites Mal als Täter verurteilt werden. Der Vorteil: Das Geld der Erbtante wäre dann für die Familie nicht verloren - es würde, statt auf den Staat, auf die übrigen Miterben überspringen.

Pro forma wehrte sich Benedikt gegen die Klage, hinter der ein raffinierter Gedanke steckt: In diesem neuen Prozess musste nämlich das Zivilgericht die Beweiswürdigung des Strafurteils noch einmal gründlich unter die Lupe nehmen. Dabei könnten wichtige Aspekte für ein Wiederaufnahmeverfahren zu Tage kommen, hofften der Häftling und seine Familie, ebenso wie die Rechtsanwälte Peter Witting und Jürgen Contzen.

Tatsächlich hatte die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer am Landgericht München I im April und November 2011 eine mehrtägige Beweisaufnahme durchgeführt (die SZ berichtete ausführlich). Und die Rechnung ging offenbar auf: Nachdem sie viele Zeugen aus dem Mordprozess noch einmal angehört hatte, erklärte Zivilrichterin Brigitta Steinlehner-Stelzner, sie habe erhebliche Probleme mit der Urteilsbegründung des Strafgerichts: Für sie seien entscheidende Indizien bislang nicht überzeugend nachgewiesen, teilte die Vorsitzende in einem Hinweisbeschluss an die Parteien mit.

Anwälte wollen Wiederaufnahme des Strafverfahrens beantragen

Die Richterin sagte, dass die Ausführungen der Schwurkammer teilweise nicht mit den Aussagen von Zeugen vor dem Zivilgericht in Einklang zu bringen seien. Etwa, wenn es darum gehe, ob andere Familienangehörige oder Mitarbeiter von Böhringer als Täter oder Hintermänner in Frage kommen könnten.

Dies gelte auch für eine DNS-Spur von Benedikt T., die sich am Blazer der Leiche befunden hatte. Die Strafrichter waren davon ausgegangen, dass der Täter die Genspur bei der Tatausführung gesetzt habe. Steinlehner-Stelzner hielt es dagegen nicht für nachgewiesen, dass diese Spur "in einer verfänglichen Situation angetragen worden" sei.

Weil nun wesentliche Stücke aus der Indizienkette des Strafurteils gebrochen seien, wie Anwalt Contzen sagt, habe sein Mandant entschieden, "sich gegen die zivilgerichtliche Klage des Bruders nicht länger zu verteidigen". Daraufhin erging ein sogenanntes Versäumnisurteil: Benedikt T. ist formal "erbunwürdig".

"Wild entschlossen" seien er und seine Anwälte, mit den in diesem Zivilverfahren gewonnenen Erkenntnissen rasch die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu beantragen - "damit nach mehr als drei Jahren das offenkundige Fehlurteil korrigiert werden kann", sagt Contzen. Sollte Benedikt T. dann tatsächlich als freier Mann aus dem Gerichtssaal gehen, würden aber das Böhringer-Vermögen nicht wieder automatisch an ihn zurück fallen.

Wollte er es dann haben, müsste seine Familie entweder freiwillig mit ihm teilen, oder er müsste gegen sie klagen - und zwar dann ernsthaft.

© SZ vom 25.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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