Reiseführer für das Handy:Appgefahren

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Ob zu Sehenswürdigkeiten wie der Wall Street in New York oder auf dem Selbstfindungstrip durch Indien: Zunehmend lassen sich Urlauber von Handy-Applikationen leiten. Das haben inzwischen auch die großen Reisebuch-Verlage entdeckt.

Sabrina Seitz

Die Stimme klingt sonor: "Du bist umzingelt - von Hochhäusern. Manche bezeichnen die Wall Street als Schluchten der Gier. Wenn ich diese Hochhäuser erblicke, sehe ich jedoch Berge von Möglichkeiten", sagt Johnny T. Solitto, der lange als Buchhalter bei einer Investmentbank an der Wall Street gearbeitet hat. Seine Stimme ist Teil einer Reise-App für Smartphones, die Urlauber mit Hilfe von GPS und digitaler Straßenkarte durch das New Yorker Finanzviertel führt und ihnen auf amüsante Art und mit viel Musik Insiderwissen vermittelt. Auch eine Hip-Hop-Tour durch die Bronx oder eine Selbstfindungsreise durch Varanasi in Indien kann man als "Soundwalk" für 4,99 Euro auf sein Smartphone laden.

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Entwickelt wurden diese Touren von dem New Yorker Musiker Stephan Crasneanscki. Sein "Soundwalk" ist nur eine von Hunderten Handy-Applikationen, die von kleinen Anbietern ausgetüftelt, für wenige Euros zum Download angeboten werden und den gedruckten Reiseführern Konkurrenz machen.

Eine von mehreren Sightseeing-Runden

Auch wenn es thematisch und qualitativ starke Unterschiede zwischen den Anwendungen gibt, folgen die meisten einem ähnlichen Prinzip: Der Reisende wählt eine von mehreren Sightseeing-Routen aus und kann sofort mit der Stadterkundung beginnen. Der GPS-Empfänger im Handy sorgt dafür, dass man jederzeit auf einer Karte sehen kann, an welchem Ort man sich befindet und in welche Richtung man sich wenden muss, um zum empfohlenen Restaurant oder zur interessanten Kirche zu gelangen.

Dort angekommen, erhält der Reisende Informationen in Form von kurzen Texten oder akustischen Erklärungen. Dabei bedienen sich die weniger guten Apps allerdings nur im Internet und schicken selbst keine Autoren zur Recherche an den beschriebenen Ort.

Während der Stadtrundgänge benötigen die meisten Applikationen keine Internetverbindung, Infos und Karten sind auch offline nutzbar. Das spart im Ausland teure Roaming-Kosten.

Hauptumsatz weiterhin mit gedruckten Führern

Von dieser Entwicklung getrieben, setzen auch klassische Reiseverlage wie Mair-Dumont, Polyglott und Michael Müller immer stärker auf digitale Reisebegleiter. "Der mobile Bereich ist ein enorm wichtiger Pfeiler", sagt Till Issler, zuständig für digitale Anwendungen bei Mair-Dumont, Deutschlands größtem Reiseführerverlag. Der Hauptumsatz werde zwar nach wie vor mit gedruckten Reiseführern gemacht, in der ersten Jahreshälfte starte man jedoch eine Offensive, in deren Zuge rund 200 E-Books für Tablet-PCs sowie mehr als 50 neue digitale Marco-Polo-Stadtführer für Smartphones erscheinen sollen. Letztere sollen, anders als die bisherigen Apps des Verlags, ständig aktualisiert werden und Offlinekarten, Routenführungen sowie eine Social-Media-Verknüpfung enthalten, damit Reisende ihren Freunden via Facebook gleich die neuesten Erlebnisse mitteilen können. Erst seit Mitte 2011 hat Mair-Dumont einen eigenen Geschäftsbereich für digitale Inhalte.

Große Ähnlichkeit mit gedruckten Pendants

Die Konkurrenz bei Polyglott plant für die nächsten Monate zwar ebenfalls einen Relaunch ihrer mobilen Reiseführer, setzt ihre Prioritäten jedoch anders: "Unser Fokus liegt weiterhin auf klassischen Reiseführern, da die App-Welt aufgrund vieler kostenloser Konkurrenten ein sehr schwieriger Markt ist", so Tanja Punnanchira, Leiterin des Verlags GVG Travel Media, der die Reiseführer von Polyglott seit 2011 herausgibt.

Derzeit ähneln die Applikationen der Reiseverlage noch stark ihren gedruckten Pendants. Sie sind klassisch aufgebaut, thematisch breit gefächert, anders als Apps wie Soundwalk, Trip Advisor und Tripwolf, die auf ausgefallene Touren wie einen Currywurst-Guide für Berlin oder eine Pariser Toiletten-Tour setzen.

Handbuch plus Handy-App

Wer sich nicht zwischen gedrucktem und digitalem Reiseführer entscheiden kann, dem bietet der Mo Media Verlag von März an ein Gesamtpaket: Die "100% Cityguides" bestehen aus einem Handbuch zur Lektüre im Hotelzimmer und einer zwar aktuelleren, inhaltlich sonst aber identischen Handy-App für den Stadtspaziergang. Da das Buch selbst sehr handlich ist, muss man schon per Briefwaage entscheiden, welche Variante man lieber mit sich herumträgt.

© SZ vom 26.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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