Hunderttausende neue Lepra-Fälle pro Jahr:Das Leid der Aussätzigen

Sie ist nicht nur eine furchteinflößende Krankheit, sondern ein Symbol für Armut und mangelnde Aufklärung: Die Lepra breitet sich nach wie vor in Teilen der Welt aus. Dabei ist ihre Heilung seit 30 Jahren möglich.

In den Metropolen Indiens begegnet man ihnen besonders häufig: An Straßenkreuzungen klopfen sie an die Scheiben wartender Autos und betteln um ein paar Rupien. Manchen der in Lumpen gehüllten Menschen fehlen Finger, anderen sogar Hände oder Füße. Einige haben so entstellte Gesichter, dass man nicht hinsehen möchte. Sie sind auf Almosen angewiesen, denn Lepra hat ihr früheres Leben zerstört.

Ginge es nach den Plänen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sollte das Leiden längst verschwunden sein. Die WHO wollte eigentlich 2005 den endgültigen Sieg über die schon in biblischen Zeiten bekannte Infektionskrankheit verkünden. Doch die Realität sieht anders aus.

Noch immer erkranken jährlich Hunderttausende Menschen in Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas an der Lepra: Die offizielle Zahl der Neuinfektionen bewegt sich seit fünf Jahren fast konstant zwischen 220.000 und 260.000 pro Jahr, sagt Burkard Kömm von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) anlässlich des Welt-Lepra-Tags an diesem Sonntag. Hinzu komme eine hohe Dunkelziffer.

Der Aussatz der Armen

Lepra ist eine Krankheit der Armen, das erschwert den Kampf gegen sie. Begünstigt wird die von Mensch zu Mensch übertragbare Erkrankung durch beengte und unhygienische Verhältnisse, wie sie in den Elendsvierteln dieser Welt herrschen. Schlechte Ernährung und verschmutztes Trinkwasser schwächen das Immunsystem der Mittellosen und machen sie zusätzlich anfällig für die bakterielle Erkrankung, die Nerven absterben lässt.

Die Lebensverhältnisse erschweren zugleich Diagnose und Therapie, erläutert Rajbir Singh von der DAHW. Viele Betroffene seien so sehr mit dem Kampf ums tägliche Überleben beschäftigt, dass sie die Hautverfärbungen, die die typischen ersten Anzeichen der Krankheit bilden, gar nicht bemerkten. Wenn diese Menschen überhaupt einen Arzt aufsuchten, dann meist erst, wenn ihre Nerven bereits so geschädigt seien, dass Händen und Füßen jegliches Gefühl fehle, wenn Verletzungen nicht mehr gespürt werden, Wunden sich entzünden und die typischen Verstümmelungen auftreten. Dann aber sei es zu spät.

Prinzipiell ist Heilung möglich. 1982 wurde eine Kombinationstherapie, die sich auf drei verschiedene Antibiotika stützt, von der WHO als weltweiter Standard empfohlen. Sie "war ein Durchbruch für alle Patienten, denn erstmals konnten Lepra-Kranke komplett geheilt werden", erklärt Burkard Kömm. "Damals hatten wir gehofft, die Lepra in den Griff zu bekommen". Doch die Armut machte der Hoffnung einen Strich durch die Rechnung.

So leben heute vier Millionen Lepra-Kranke mit lebenslangen Behinderungen. Häufig verlieren Betroffene Finger und Zehen, Hände und Füße. Viele können nicht mehr für ihren und den Lebensunterhalt ihrer Familien sorgen. Und nach wie vor leiden sie unter Ausgrenzung. "Zwar wird heute nicht mehr mit Steinen auf Kranke geworfen", sagt Singh: "Doch trotz der Anstrengungen bei der Aufklärung sind wir von einem unbefangenen Umgang mit Lepra noch weit entfernt."

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