Finanzkrise in Griechenland:Warum ein Spardiktat schaden würde

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Auf dem EU-Gipfel vermeidet es Merkel, über den Sparkommissar für Griechenland zu reden - die Idee ist trotzdem in der Welt. Dabei ist sie politisch abwegig, weil sie das Vertrauen in die Demokratie beschädigen würde. Außerdem krankt die Währungsunion nicht nur daran, dass ihre Mitglieder unsolide gewirtschaftet haben.

Thomas Kirchner

Fiskalpakt und Rettungsschirm - über solche Dinge haben die Staats- und Regierungschefs der EU am Montag beraten. Besser wäre es gewesen, sie hätten pausenlos über Griechenland nachdenken müssen. Denn was helfen diese mittel- und langfristigen Instrumente zur Stabilisierung des Euro, wenn Athen derweil vor aller Augen in den Bankrott stürzt, mit unabsehbaren Folgen für die ganze Währungsunion? Die griechische Wirtschaftsleistung sinkt seit fast vier Jahren, die Spar- und Reformziele sind außer Reichweite. Trotz des geplanten Schuldenschnitts in Höhe von 100 Milliarden Euro wird das Land immer wieder neues Geld benötigen - und nicht bekommen, denn das ist kaum mehr einem Steuerzahler in der EU zu vermitteln.

Es hätte auch nichts genützt, die Griechen jetzt zu entmündigen. Die Idee, der Athener Regierung einen europäischen - womöglich einen deutschen - Sparkommissar vor die Nase zu setzen, ist politisch abwegig. Damit würde, über Griechenland hinaus, in der gesamten Euro-Peripherie noch mehr Vertrauen in die Demokratie zerstört. Es wäre geradezu ein Förderprogramm für Extremisten aller Art. Der frisch-fröhlich lancierte und nun zum Glück wieder zurückgenommene Vorschlag steht für das Chaos in der deutschen Rettungsstrategie - und ihr Scheitern.

Das Berliner Mantra seit Beginn der Krise lautet: Wenn nur alle wären wie die Deutschen, wenn sie sparen und die Regeln befolgen, dann kann der Euro funktionieren. Fast alle außer den Deutschen wissen inzwischen, dass dieser Satz nicht stimmt. Er ist nur die halbe Wahrheit. Die Europäische Währungsunion krankt bekanntlich nicht nur daran, dass ihre Mitglieder unsolide gewirtschaftet oder schlicht Statistiken gefälscht haben. Es wurde auch kein Weg gefunden, die enormen Leistungsbilanzunterschiede, also das Gefälle zwischen den einzelnen Volkswirtschaften, abzubauen. Dank Euro, niedriger Zinsen und eigener Reformen steht Deutschland nun vergleichsweise gut da, während es auch einigen Ländern außerordentlich schlecht geht, die sich wie Spanien stets an die Budgetregeln gehalten haben.

Nachhaltig ändern ließe sich dieser Zustand nur durch eine echte politische Integration samt europäischem Durchgriffsrecht auf die nationalen Haushalte, die Steuer- und Sozialpolitik. Davon ist die EU weit entfernt. Statt nun alles zu tun, besagtes Gefälle trotzdem irgendwie zu bekämpfen - durch fiskalische Anreize, Investitionen, eine andere Lohnpolitik, einen europäischen Marshall-Plan -, hält man sich in Berlin stur an Teil eins der Wahrheit: striktes Sparen. Deswegen wird ein Fiskalpakt durchgepaukt, dessen Nutzen umstritten ist.

Die deutsche Öffentlichkeit ist ihrer Regierung in dieser Krise viel zu lange blind gefolgt, eben weil es dem Land noch so gut geht. Es ist höchste Zeit, Angela Merkels Strategie intensiv zu hinterfragen, viel härter als bisher. Es gibt eine Alternative.

© SZ vom 31.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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