Ball des Wiener Korporationsrings:FPÖ-Chef vergleicht Burschenschafter mit verfolgten Juden

Am Wiener Burschenschafter-Ball nehmen auch rechtsextreme Politiker teil. Das Korporierten-Fest ist heftig umstritten und hat auch am Wochenende für Proteste gesorgt. FPÖ-Chef Strache soll die Gäste nun mit verfolgten Juden verglichen haben. Die FPÖ leugnet die Sätze ihres Vorsitzenden nicht - will sie aber ganz anders verstanden wissen.

Cathrin Kahlweit

Heinz-Christian Strache, Chef der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) und nebenbei selbst Mitglied der Burschenschaft Vandalia, hatte sich auf dem Ball des Wiener Korporationsrings am vergangenen Freitag bei seiner Eröffnungsrede schnell dem Wesentlichen zugewandt: Nachdem er "Magnifizenzen und Spektabilitäten" begrüßt hatte, rief er in den überfüllten Festsaal der Wiener Hofburg unter lautem Beifall der etwa 3000 Gäste, man lasse sich dieses "wundervolle kulturelle Fest" nicht nehmen. Die Diffamierungen und böswilligen Angriffe, denen die Veranstaltung im Vorfeld ausgesetzt gewesen sei, hätten alles überboten, was in den vergangenen Jahren geschehen sei. Nun gelte es, "antidemokratischen Gewalttätern" die Stirn zu bieten.

WKR-Ball of student fraternities in Vienna

Gäste beim umstrittenen Ball des Wiener Korporationsrings in der Hofburg in Wien am 27. Januar.

(Foto: Fayer/Handout/dpa)

Der Anlass für seine Empörung: Gegen den Ball, der seit 1952 in Wien von den farbentragenden Hochschulkorporationen veranstaltet wird und der in diesem Jahr ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag stattfand, hatte es, wie jedes Jahr, massive Proteste von antifaschistischen Gruppen, Gewerkschaften und Studenten gegeben; etwa 20 Menschen waren festgenommen worden, drei Ballbesucher erlitten leichte Verletzungen. Doch während sich in den Tagen nach dem Tanztreffen die Debatte vor allem auf die Deeskalationsstrategie der Polizei konzentriert hatte, weil sich sowohl Ballbesucher als auch Demonstranten nicht ausreichend geschützt gefühlt hatten und die Anfahrt zur Wiener Hofburg durch die Proteste erschwert gewesen war, steht mittlerweile der Eröffnungsredner selbst im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Die Israelitische Kultusgemeinde erstattete am Montag Anzeige gegen den Chef der Rechtspopulisten. Der Grund: Der Nationalratsabgeordnete soll, wie im Standard zu lesen war, vor seiner Loge zu umstehenden Gästen gesagt haben: "Wir sind die neuen Juden"; die Angriffe auf Burschenschafter-Buden vor dem Fest, wo man Karten für die Veranstaltung kaufen konnte, seien "wie die Reichskristallnacht" gewesen. Laut Standard sekundierte ihm der Chef des FPÖ-Bildungsinstituts, Klaus Nittmann, mit dem Satz: "Unternehmen, die für den Ball arbeiten, bekommen den Judenstern aufgeklebt." Die Israelitische Kultusgemeinde sieht in diesen Äußerungen einen Verstoß gegen das "Verbotsgesetz", das in Österreich jede "Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus" verbietet.

Die FPÖ, die Heinz-Christian Strache bei den Nationalratswahlen im kommenden Jahr zur stärksten Partei machen will, leugnet die Sätze ihres Vorsitzenden zwar nicht, will sie aber völlig anders verstanden wissen: FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sprach von "künstlicher Empörung" und ließ wissen, Strache habe lediglich gemeint, dass es "methodisch an die grausamen Berichte über die unselige NS-Zeit erinnert, wenn Menschen verleumdet und gejagt" würden, wie dies von Linksextremisten gegenüber den Besuchern des Balls geschehen sei. Die Freiheitlichen hatten schon zuvor ebenfalls rechtliche Schritte gegen die Personen und Organisationen angekündigt, die gegen den Burschenschaftler-Ball "hetzen".

Einige Burschenschaften gelten als rechtsradikal

In der Wiener Ballsaison, die so schöne Feste wie den Ball der Universität für Bodenkultur oder den Techniker-Cercle aufweist, ist vor allem das Korporierten-Fest regelmäßig heiß umstritten. Immer wieder nehmen rechtsextreme Politiker daran teil; in diesem Jahr wurde Marine Le Pen, Vorsitzende des französischen Front National, ebenso gesichtet wie Vertreter des belgischen Vlaams Belang oder der Schwedendemokraten. Von der Zeitung Libération gefragt, warum seine Tochter an einem Ball der extremen Rechten in Österreich teilnehme, sagte ihr Vater Jean Marie Le Pen schulterzuckend, das erinnere ihn an das Wien des 19. Jahrhunderts, an "Strauss ohne Kahn".

Aber mit derartigen Scherzen wollen sich die vielen Kritiker der Veranstaltung nicht zufriedengeben. Historiker, Politiker anderer Parteien und zahlreiche Menschenrechtsgruppen verweisen darauf, dass einige der österreichischen Korporationen als rechtsradikal gelten.

Darunter sind national gesinnte Burschenschaften, aus deren Mitte auch zahlreiche FPÖ-Politiker rekrutiert wurden. Der stellvertretende Nationalratspräsident und FPÖ-Mann Martin Graf etwa ist Mitglied der Olympia, die 2005 den Holocaust-Leugner David Irving eingeladen hatte. Parteichef Strache hatte zwar aufgrund der Vorwürfe von allzu großer Nähe zu den rechten Korporationen im vergangenen Mai einen bereits zugesagten Auftritt am Jahrestag der Kapitulation Hitler-Deutschlands auf dem Heldenplatz abgesagt. Dort wollte der Wiener Korporationsring sein Totengedenken abhalten. Allerdings gibt es Fotos davon, wie Strache bei einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem anstelle einer jüdischen Kippa ein sogenanntes Tönnchen, die Kopfbedeckung seiner Verbindung, trug. Ihm sei bei diesen Bildern "kotzübel" geworden, sagte daraufhin der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzikant.

Tatsächlich aber ist die Burschenschafter-Szene in Österreich sehr differenziert. Nur der geringere Teil, geschätzte 4000 Personen in schlagenden Korporationen und Corps, kann Fachleuten zufolge als rechtsnational gelten. Etwa 30.000 Österreicher sind Mitglieder von - durchaus liberalen oder katholischen - Studenten- oder Schülerverbindungen.

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