Datenschutz bei Google und Facebook:Sie machen, was sie wollen

Die US-Internetkonzerne Google und Facebook schalten ganz auf Expansion. Der Datenschutz der Europäer zählt da nicht viel. Aber müssen sich Innovation und Datenschutz tatsächlich ausschließen?

Varinia Bernau

Sie wollte Macht demonstrieren - und dann das: Nur wenige Stunden, bevor EU-Justizkommissarin Viviane Reding ihren Entwurf für einen besseren Datenschutz im Internet in Brüssel vorstellte, preschten ausgerechnet die beiden Web-Giganten vor: Google kündigte an, seine Datenschutzrichtlinien zu ändern und alle Informationen, die Menschen bei den mehr als 60 verschiedenen Diensten des Konzerns hinterlassen, gesammelt auszuwerten.

Facebook und Google

Facebook und Google: Datenschutzrichtlinien ohne europäische Mitsprache

(Foto: Bloomberg)

Und Facebook ließ in einem Blogeintrag wissen, dass es die Lebenschronik für alle 800 Millionen Mitglieder des sozialen Netzwerks zur Pflicht macht. Ausgerechnet Facebook und Google. Die es sich zur Gewohnheit gemacht haben, erst zu handeln - und dann um Erlaubnis zu fragen. Die in Silicon Valley sitzen, weit weg von Brüssel.

Reding war düpiert

Was ein Triumph werden sollte, wirkte wie eine Niederlage: Reding war düpiert. Eine Europäerin, um deren Mahnungen sich die Amerikaner nicht scheren. Eine Politikerin, der Manager auf der Nase herumtanzen. Aber: War es tatsächlich eine Niederlage? Sind es tatsächlich die europäischen Verbraucher, die den US-Unternehmen ausgeliefert sind, weil sie einfach nirgendwo sonst einen so guten Service bekommen, weil sie, wenn sie sich verweigern, den Anschluss verlieren würden? Müssen sich Innovation und Datenschutz tatsächlich ausschließen?

Selbstbewusst gibt sich Reding gegenüber all jenen, die einwenden, Europas Politiker könnten gegen US-Konzerne nichts ausrichten. Sollen sie es doch versuchen, das ist stets ihr Argument. Sollen die US-Unternehmen doch unsere Regeln brechen - dann werden sie schon sehen, wie ihnen eine äußerst wertvolle Kundschaft wegbricht. Wann immer Reding so argumentiert, schwingt dabei mit: Das werden sie nicht wagen.

Die Dienste von Facebook nutzen allein in Großbritannien 30 Millionen, in Deutschland 20 Millionen, in Frankreich 15 Millionen Menschen. Das sind wichtige Parameter im Werbegeschäft des sozialen Netzwerkes. Google macht mehr als die Hälfte seines Umsatzes von insgesamt zehn Milliarden Dollar im jüngsten Quartal außerhalb des Heimatmarktes - und Europa, so betont der Internetkonzern, sei dabei eine der wichtigsten Regionen. Allein in Großbritannien macht Google mehr als ein Zehntel seines Geschäfts.

Rückgang der Werbeerlöse

Erst kürzlich musste der Konzern, der einst fast konkurrenzlos die Vermarktung von Suchergebnissen dominierte, erstmals seit mehr als zwei Jahren einen Rückgang der Werbeerlöse einräumen. Googles durchschnittlicher Verdienst pro angeklickter Werbeanzeige sank um acht Prozent. Um die Einbußen in den Kerngeschäften auszugleichen, sucht das Unternehmen nach neuen Quellen. Es pumpt viel Geld in die Entwicklung seines Facebook-Konkurrenten Google+ und seines Smartphone-Betriebssystems Android. Kunden aber wird der Konzern dafür nur finden, wenn er auch deren Vertrauen gewinnt.

Michael Fertik, Chef von Reputation.com, einem deutschen Anbieter, der dafür sorgt, dass unliebsame Daten aus dem Netz wieder verschwinden, kann das Gejammere über zu strenge Regeln nicht mehr hören: Die heutigen rechtlichen Lücken helfen vor allem denen, die im Netz den Ton angeben. "Aber was schon heute für Facebook schlecht ist, könnte für einige tausend Anbieter von morgen durchaus gut sein."

Klare Regeln

Mit anderen Worten: Klare Regeln können Innovationen durchaus vorantreiben. Noch nutzen die europäischen Verbraucher ihre Macht nicht, sagt Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein. Er ist einer der engagiertesten Datenschützer. Mancher hält ihn sogar für datenhysterisch. Doch seine Worte wählt Weichert mit Bedacht: "Wer Google vertrauen will, soll das tun. Ich habe kein Indiz, dass ich denen trauen kann." Er glaubt nicht, dass das Bewusstsein für sorgsamen Umgang mit Daten eine Generationenfrage sei.

Neun von zehn Deutschen nutzen Google, wenn sie online etwas suchen. Google, das ist also nicht nur etwas für Jugendliche. Das ist vor allem ein guter Dienst. Ja, sagt Weichert, er wisse selbst, dass die Ergebnisse dort besser sind als bei ixquick, einer Suchmaschine, die seine Behörde empfiehlt, weil dort keine Nutzerprofile angelegt werden. Je mehr Daten Google sammelt, desto besser wird eben auch die Trefferwahrscheinlichkeit.

Google, so sagt Weichert, habe beteuert, dass es die Daten, die jemand in seinem E-Mail-Postfach hinterlässt, nicht mit denen zusammenführt, die er auf Google+, Youtube oder einer der anderen Plattformen hinterlässt. So recht geglaubt habe er es nie: "Es wäre wirtschaftlich einfach dumm gewesen, dieses enorme Werbepotential nicht auszuschöpfen." Vielleicht sei die Neuregelung der Datenschutznormen ja etwas mehr Ehrlichkeit, ansonsten sei es eine massive Verschlechterung für Verbraucher. Wann immer eine Firma Daten zu einem bestimmten Zweck erhebe, dürfe es diese auch nur zu diesem Zweck verwenden.

Offener Brief an Larry Page

Die Kritik ist keine rein europäische Nörgelei: In den USA haben sich acht Anwälte in einem offenen Brief an Google-Chef Larry Page gewendet - und Nachbesserungen angemahnt. Jeff Chester, Direktor der Bürgerrechtsgruppe Center for Digital Democracy, glaubt, dass Google mit der einheitlichen Datenschutzvereinbarung zu verhindern versucht, dass die amerikanische Aufsichtsbehörde FTC aktiv wird. Im vergangenen Jahr einigte sich Google mit der FTC nämlich auf eine Vereinbarung, die es Google verbietet, irreführende Angaben darüber zu machen, wie das Unternehmen persönliche Nutzerdaten verarbeitet. Darüber hinaus wurde Google auch verboten, die Daten ohne Einwilligung des Nutzers weiterzugeben.

Google selbst argumentiert, es habe die Bestimmungen für seine Dienste vereinfacht - ganz im Sinne Redings.

Stellt sich also die Frage: Was können Datenschützer ausrichten? Die faktische Macht ist gering, gibt Weichert zu - die potentielle Macht aber sei größer. "Wir schöpfen das, was wir könnten, nicht aus", so der Datenschützer. Weil die US-Politiker, die man zwangsläufig bräuchte, um die global agierenden Unternehmen in die Schranken zu weisen, viel zu ehrerbietig gegenüber Konzernen seien, die ihnen Wachstum versprechen.

Weil ein Bußgeld von bis zu 300000 Euro einen Konzern wie Google, der an einem einzigen Tag das Zehnfache verdient, nicht zittern lässt. Und tatsächlich: Setzt sich Reding durch, müsste eine Firma bei Verstößen gegen EU-Regeln Strafen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes zahlen - bei Google wären das angesichts 38 Milliarden Euro Geschäftsvolumen immerhin maximal 760 Millionen. Wie gut, dass Reding eine Höchstgrenze gesetzt hat: bei einer Million Euro. Da tut Datenschutz niemandem weh.

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