Lehren aus der Florida-Vorwahl der Republikaner:Warum Romney "Angry Newt" auch am Ende schlagen wird

Mitt Romney kann sich nach seinem klaren Sieg in Florida wieder als Favorit im Rennen der Republikaner um die Präsidentschaftskandidatur fühlen. Der Multimillionär hat alte Stärken geschickt genutzt, seine guten Manieren vergessen und sich in einigen Punkten verbessert. Allerdings ist Romney noch nicht ganz am Ziel. Fünf Lehren aus der Florida-Vorwahl.

Matthias Kolb, Tampa

Auf die Dollars kommt es an

Mitt Romney celebrates primary victory in Florida

Mitt Romney feiert seinen Sieg bei der Vorwahl der Republikaner in Florida.

(Foto: dpa)

Florida, der bevölkerungsmäßig viertgrößte Bundesstaat der USA, stellte die verbliebenen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner vor ganz andere Herausforderungen als die Abstimmungen in Iowa, New Hampshire und South Carolina. Der sunshine state ist groß, vielfältig und extrem teuer. Der Faktor Geld trug entscheidend zum deutlichen Sieg von Mitt Romney bei: Seit Wochen überschwemmte sein Team und das ihm nahestehende Super-Pac "Restore Our Future" Florida mit Radio- und Werbespots und ließ Newt Gingrich, Rick Santorum und Ron Paul keine Chance. (Was Super-Pacs sind, lesen Sie hier.)

Bis vergangenen Freitag hatten die Romney-Befürworter 15,3 Millionen Dollar für Wahlwerbung ausgegeben, während Gingrich lediglich 3,4 Millionen aufbringen konnte, um den 64-Jährigen Romney als wankelmütigen "Moderaten aus Massachusetts" darzustellen, der früher Abtreibungen keineswegs abgelehnt habe und aus Knausrigkeit Holocaust-Überlebenden das koschere Essen strich (der entsprechende Telefonanruf der Gingrich-Kampagne ist hier online nachzuhören).

Es nutzte nichts: Der Botschaft, Gingrich habe nach seinem unehrenhaften Ausscheiden als Sprecher des Repräsentantenhauses 1,6 Millionen Dollar verdient, weil er als Lobbyist den Immobilienfinanzierer Freddie Mac beraten habe, konnte keiner der 19 Millionen Einwohner in Florida entkommen (etwa im Internet-Video "Florida Families") - und sie wirkte offenbar. Wie schmutzig der Wettstreit in Florida ablief, bestätigt eine Zahl: 92 Prozent aller Anzeigen und Videos waren negativ.

Bestätigt fühlen dürfte sich Ron Paul: Der bei Jungwählern beliebte Marktradikale, der alle US-Soldaten nach Hause holen und die Zentralbank abschaffen möchte, verschwendete kein Geld in Florida und erhielt im Rentnerparadies nur sieben Prozent der Stimmen. Stattdessen tourte der 76-Jährige durch Maine und Nevada, wo am 4. Februar gewählt wird und er bereits viele Anhänger hat.

Die Klagen der Gingrich-Anhänger über ein "Flächenbombardement" und Wettbewerbsverzerrung dürfte Ex-Gouverneur Romney mit breitem Lächeln ignorieren. Romneys Team hat bewiesen, dass es eine nahezu perfekte Kampagne organisieren kann und sein Super-Pac wird "den Stiefel auf Newts Rücken halten, damit er nicht ein drittes Mal aus dem Grab steigt", wie ein Analyst bei CNN sagte.

Fazit: Mitt Romney profitiert von seinem riesigen Budget.

Der Kampf von Florida

Der TV-Satiriker Jon Stewart, ein genauer Beobachter des US-Politbetriebs, wählte in einer vergangenen Sendung eine passende Analogie des Duells zwischen Romney und Gingrich: Es gleiche einem Computer-Prügelspiel. Und Gingrich habe einige Tiefschläge einstecken müssen. Nicht nur in den beiden Fernsehdebatten nutzte Romney jede Gelegenheit, um seinen schärfsten Widersacher zu attackieren und als Washington-Insider zu brandmarken. Für Romney hat es sich ausgezahlt, einen erfahrenen Rhetorikexperten als Coach und Sparringspartner angeheuert zu haben: Er präsentiert sich offensiver und selbstsicherer.

Romneys neue Angriffslust

Auch bei seinen vielen Wahlkampfauftritten stichelt Romney oft gegen Gingrich. "Einmal ist ihm das Publikum zu laut, das andere Mal zu leise", witzelte er etwa vor seinen Zuhörern, als sich sein schärfster Konkurrent darüber beschwerte, dass angeblich zu viele Anhänger des Ex-Gouverneurs im Publikum saßen.

US-Vorwahlen der Republikaner

Bei den Wählern in Florida kam dieser Romney, der die Samthandschuhe ausgezogen und die elitäre Erziehung an einer Privatschule vergessen hatte, gut an, wie das Ergebnis zeigt. Genaue Analysen offenbaren, wie wichtig der Faktor Wählbarkeit war. In einer Umfrage von CNN sahen 45 Prozent der Befragten das Argument "Kann Obama schlagen" als wichtig an. Offenbar trauen viele Republikaner einem zupackenden Romney zu, rhetorisch gegen Amtsinhaber Barack Obama zu bestehen - das galt bislang eher für Newt Gingrich und war dessen wichtigstes Argument. Bei einer Wählergruppe ist die Skepsis gegenüber dem Wahlsieger Romney noch immer sehr hoch: bei den Ultrakonservativen liegt Gingrich klar in Führung.

Fazit: Mitt Romneys dosiert aggressiver Stil kommt bei vielen Republikanern an

TV-Duelle sind entscheidend

Diese neue Angriffslust des Mitt Romney zeigte besonders in den beiden in Florida ausgetragenen TV-Debatten ihre Wirkung. Während sich Newt Gingrich in den Rededuellen zuvor dank seiner rhetorischen Brillanz oft profilieren und so den Sieg in South Carolina einfahren konnte, bietet der Mormone ihm nun Paroli.

Nach Einschätzung des Journalisten Alex Burns, der die Kandidaten seit Monaten begleitet und über deren Auftritte er einen viel beachteten Blog auf politico.com schreibt, spielen die Rededuelle eine wichtigere Rolle als noch vor vier Jahren: "Sie sind für den Erfolg einer Kampagne mitentscheidend und die Debatten ziehen enorm viele Zuschauer an."

Burns zufolge kann sich der wortgewaltige Gingrich nicht über die weitere Terminierung freuen: "Für ihn ist es sicher ein Nachteil, dass die nächste TV-Debatte erst am 22. Februar stattfindet." Die lange Pause gibt jedoch allen vier Bewerbern Zeit, sich eine neue Strategie zu überlegen.

Fazit: Nach 19 Rededuellen hat Mitt Romney Mittel gefunden, den Lautsprecher Gingrich in Schach zu halten.

Musterfamilien vor!

Wahlkampfzeit ist stets Familienzeit: Jeder Amerikaner, der sich um ein Amt bewirbt, zeigt sich mit seinem Ehepartner und idealerweise mit den wohlgeratenen Kindern, um seine Anständigkeit zu präsentieren. Dies spielte Mitt Romney idealtypisch aus: Bei einer Konferenz des republikanischen "Hispanic Leadership Network" stellte ihn sein Sohn Craig in astreinem Spanisch vor - und Enkel Porter krähte fröhlich "Hola" ins Mikro (hier ist der Romney-Auftritt in einem Youtube-Video zu sehen).

Dass der einstige Finanzinvestor, dessen Vermögen auf 250 Millionen Dollar geschätzt wird, seit 42 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet ist, gefällt nicht nur den meist katholischen Hispanics, die in Florida 22 Prozent der Bevölkerung stellen. 54 Prozent der Latinos votierten für Romney, der seine Treue gern bei öffentlichen Auftritten betont. Er muss gar keine Andeutung bezüglich seines Rivalen machen, denn die meisten Amerikaner kennen das bewegte Liebesleben von Newt Gingrich, der bereis zum dritten Mal verheiratet ist.

So wundert es kaum, dass Ann Romney am Wahlabend die Rolle der Laudatorin übernahm. "Diese Frau ist ein großes Plus für Mitt", sagte ein CNN-Experte anschließend.

Erst die Eitelkeit, dann die Partei

Gerade unter den Wählerinnen kommt es nicht an, dass Gingrich genau in jener Zeit eine Affäre mit der 23 Jahre jüngeren Callista begann, als er US-Präsident Bill Clinton wegen dessen Verhältnisses mit Monica Lewinsky aus dem Weißen Haus jagen wollte. CNN zufolge stimmten 51 Prozent der verheirateten Wählerinnen für Romney - und nur 28 Prozent für Gingrich. Bei den Männern lagen die beiden deutlich näher beieinander.

Auch der ultrakonservative Katholik Rick Santorum präsentiert sich gern als sorgsamer Familienvater und spannt etwa seine Tochter Elizabeth aktiv in den Wahlkampf ein. Das für den relativ geringen Einsatz beachtliche Ergebnis von 13 Prozent in Florida zeigt, dass ein großer Teil der Tea Party und der Evangelikalen hinter dem Ex-Senator aus Pennsylvania steht und man ihn nicht abschreiben sollte.

Santorum, der vehement gegen Homoehe und Abtreibung eintritt, denkt noch lange nicht ans Aufgeben. Das Kalkül des 53-Jährigen scheint klar zu sein: Er hofft darauf, dass Newt Gingrich aufgibt oder in den Umfragen absackt - und er sich als konservative Alternative zu Romney präsentieren kann.

Fazit: Mit seiner Bilderbuchfamilie (1 Frau, 5 Söhne, 16 Enkel) kann Romney punkten - vor allem im Vergleich zu Gingrich.

Es ist noch lange nicht vorbei

Wer gedacht oder gehofft hatte, dass sich "Angry Newt" nach der Schlappe in Florida nun in den Dienst der Partei stellen würde, wurde schnell eines Besseren belehrt. Auch wenn der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses zuletzt müde wirkte, wird der 68-Jährige nicht aus dem Rennen aussteigen. Auch der 76-jährige Ron Paul genießt weiterhin den Trubel, den er nutzen will, um für seine libertären Ideen zu werben - am besten bis zum Parteitag in Tampa Ende August.

Gingrich, der noch am Vortag mit Herman Cain durch Florida getourt war, rief am Wahlabend erneut das Duell zwischen dem "konservativen Führer" und dem "Moderaten aus Massachusetts" aus und verkündete, mit "der Macht des Volkes die Macht des Geldes" bekämpfen zu wollen. Auf einer von Gingrichs Kampagne finanzierten Internetseite namens Tales of Mitt ("Mitts Märchen") wird Romney vorgeworfen, zu lügen und in vielen Bereichen nicht standfest zu sein.

Gingrich, der jahrelang als Abgeordneter einen Stimmkreis in Georgia repräsentierte, setzt all seine Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden beim Super Tuesday am 6. März, wenn in mehreren Südstaaten gewählt wird. Das republikanische Partei-Establishment hat wohl mit Sorge die Plakate mit der Aufschrift "46 states to go" gesehen, welche die Gingrich-Fans am Wahlabend in Florida emporstreckten. Sie lassen erahnen, dass dem früheren Speaker of the House seine verletzte Eitelkeit wichtiger ist als die Parteilinie - solange er eine Möglichkeit hat, Mitt Romney zu schaden.

Fazit: Die vier Kandidaten werden noch lange im Rennen bleiben - auch wenn sie unterschiedliche Erfolgschancen und Motive haben.

Der Autor twittert unter @matikolb.

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