Ackermann-Nachfolger bei der Deutschen Bank:Anshu Jain, König auf Zeit

Der von der angelsächsischen Finanzkultur geprägte Anshu Jain folgt auf Josef Ackermann. Die Hürden für ihn sind hoch: Es wird nicht reichen, nur die Milliarden unter dem Strich zu zählen - Jain könnte sich rasch als der Falsche an der Spitze der Deutschen Bank erweisen. Für diesen Fall gibt es schon einen Reserve-Chef.

Hans-Jürgen Jakobs

Der König ist tot, es lebe der König! So heißt es, wenn sich die Macht ändert in einem Reich. Aber ist der Mann, der Deutschlands größtes Geldhaus, das einzige der Republik von Weltgeltung, künftig führt, überhaupt der Richtige dafür? Ist er womöglich nur König auf Zeit? Diese Fragen können leicht aufkommen beim anstehenden Führungswechsel der Deutschen Bank, bei der Übergabe von Josef Ackermann auf Anshuman Jain.

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Anshu Jain, während der Pressekonferenz am Donnerstag.

(Foto: AFP)

Tatsächlich sind die Hürden hoch für den in Indien, den USA und London groß gewordenen Banker, der in einer wirtschaftspolitisch extrem schwierigen Zeit seine Karriere mit dem Posten des Vorstandsvorsitzenden krönt. Der Investmentbanker hat schon in der Vergangenheit mit üppigen Boni mehr verdient als der nominell Erste im Haus, als Ackermann. Also scheint es logisch, dass er nach ganz oben rückt. Und doch: Jain könnte sich rasch als der falsche Mann an der Spitze erweisen.

Das liegt vor allem in den Altlasten begründet, die das von ihm geleitete Investmentbanking angehäuft hat. Seine Manager haben eine tiefe Spur gezogen, eine Furche, die bei Anklagen und Prozessen noch sehr auffallen dürfte, etwa in den USA. Es war sogar Anshu Jain selbst, der 2006 den Kauf der amerikanischen Immobilienfirma Mortgage IT forcierte, auch gegen Widerstand im eigenen Haus. Nicht nur, dass die Neuerwerbung zwei Jahre später am Ende war, nein, der amerikanische Staat führt in dieser Sache ein Verfahren gegen die Deutsche Bank. Über Mortgage IT sollen öffentliche Garantien erschlichen worden sein.

Mit jeder Gerichtsverhandlung werden die manischen Deals von Jains Truppe deutlich werden, einer eingeschworenen Crew, die fernab von der Zentrale in Frankfurt in der Londoner City ihr Eigenleben führte. Angeleitet wurde sie von einem Manager, der begeistert all die Innovationen der Finanzindustrie pries, jene giftigen Wertpapiere, die 2007/2008 zum Ausbruch der Wirtschaftskrise führten. Inzwischen sind die Erträge der Bilanzhelden von einst zertrümmert - nur dass es ihr Vorgesetzter noch an die Spitze der Bank gebracht hat.

Es gilt das Peter-Prinzip

Das Peter-Prinzip der Management-Literatur gilt auch hier: Jeder wird bis zur Stufe seiner erwiesenen Inkompetenz befördert. Den Gegenbeweis wird Jain antreten müssen, wenn all die Akklamationsfeierlichkeiten und das Gerede vom George Clooney des Bankwesens vorbei sind. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der von der angelsächsischen Finanzkultur geprägte Jain umschalten kann - auf Reparaturmaßnahmen eines fehlgeleiteten Systems, auf Abstimmung mit Politikern, auf die Neuausrichtung des Euro-Systems?

Vieles kann man lernen, auch die deutsche Sprache, die Jain bisher strikt gemieden hat, soziale Sensibilität jedoch bringt einem kein Nachhilfelehrer bei. Es wird für die Deutsche Bank nicht reichen, nur die Milliarden unter dem Strich zu zählen - es wird auf ihre Rolle im Kampf gegen Schulden-Schlamassel und Finanzdefizite ankommen, auf ihre gelebte Verantwortung.

Anshu Jain ist hier Lehrling. Der Chefbanker in spe ist im persönlichen Gespräch gewinnend, er ist hochintelligent und hat seine Chance, aber er wird womöglich ein nice guy bleiben - dort, wo Josef Ackermann, der einst im Volk Verhasste, am Ende fast staatsmännische Kraft zeigte.

Dass der Aufsichtsrat in seiner Weisheit mit dem 63-jährigen Jürgen Fitschen einen Co-Chef installiert hat, können nur Naive als vertrauensfördernde Maßnahme werten. Dieser Zweispänner ist Ergebnis eines Machtkampfs. Und der hat einen neuen Aufsichtsratschef gebracht, der am Ende eine große Zukunft haben könnte: Paul Achleitner, ein Österreicher mit wachem, politischem Verstand. Der Noch-Finanzchef der Allianz hat die Verbindungen, das Gespür und das Netzwerk, das Jain fehlt. Er ist der Reserve-CEO, wenn alle Stricke reißen. Er ist der dritte Mann.

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