Duisburger urteilen über OB Adolf Sauerland:Auf der Suche nach Anstand

Zum ersten Mal in der Geschichte Nordrhein-Westfalens muss sich ein Oberbürgermeister seiner Abwahl stellen: An diesem Sonntag entscheiden die Duisburger, ob Adolf Sauerland sein Amt abgeben muss. Seine Gegner werfen ihm vor, für die Katastrophe auf der Loveparade mit 21 Toten mitverantwortlich gewesen zu sein und bei der Aufarbeitung versagt zu haben.

Bernd Dörries, Duisburg

Es ist ein Dienstagnachmittag in Duisburg, die Senioren-Union hat in die katholische Familienbildungsstätte eingeladen, die Tische in U-Form aufgestellt und Kaffee gekocht. Vorne steht Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) und erzählt von früher. Damals, sagt Adolf Sauerland und meint jene Jahrzehnte vor seinem Amtsantritt 2004, in denen diese Stadt von den Sozialdemokraten regiert wurde. Damals also, im dunkelroten Zeitalter, habe selbst der "erste Mann an der Mülltonne" ein SPD-Parteibuch haben müssen, der Filz habe regiert, nichts sei vorangegangen - bis er kam, Adolf Sauerland.

Adolf Sauerland könnte als Oberbürgermeister abgewählt werden

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland muss sich der Abstimmung über seine Abwahl stellen. Kritiker werfen ihm vor, für die Loveparade-Katastrophe im Sommer 2010 mitverantwortlich gewesen zu sein.

(Foto: dapd)

Im Saal zustimmendes Murmeln, ältere Männern erheben sich zu kurzen Impulsreferaten, in denen von einer "Hexenjagd" des politischen Gegners auf Sauerland die Rede ist, aber auch von Schallschutzmaßnahmen an einer Hauptverkehrsstraße.

Zum Schluss erhebt sich noch ein Gast und sagt, er habe vierzig Jahre lang CDU gewählt, Sauerland aber werde seine Stimme nicht mehr bekommen. "Politik braucht Vorbilder", sagt der Mann. Ein solches sei Sauerland aber nicht. "Mehr Anstand heißt auch mehr Stimmen." Nicht mal auf die Senioren-Union kann Sauerland noch sicher zählen.

Am Sonntag stimmen die Duisburger Bürger darüber ab, ob sie Sauerland als Oberbürgermeister behalten wollen, ob er bis 2015 im Amt bleiben darf. Es ist das erste Mal in der Geschichte Nordrhein-Westfalens, dass ein Oberbürgermeister sich einer Abwahl stellen muss. Seine Gegner werfen ihm vor, als oberster Chef der Verwaltung im Sommer 2010 für die Katastrophe auf der Loveparade mit 21 Toten mitverantwortlich gewesen zu sein - und danach bei der Aufarbeitung versagt zu haben.

Sauerland stellt Abwahlbegehren als parteipolitische Taktik dar

"Lex Sauerland" nennen die Anhänger der CDU das Abwahlgesetz, das im Sommer 2011 im Landtag verabschiedet wurde, mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken. Sauerland und seinen Anhängern ist es der Beweis, dass sich die Sozialdemokraten die Stadt zurückholen wollen, die sie so lange ihr Eigentum nannten, mit allen Mitteln.

Was Sauerland nicht erwähnt: Über das Gesetz zur Abwahl von Stadtoberhäuptern waren sich SPD, Grüne und Linke schon vor der Katastrophe auf der Loveparade einig. Es war Sauerlands Taktik in den vergangenen Wochen, das Abwahlbegehren gegen seine Person als ein rein parteipolitisch geprägtes darzustellen, das nur noch wenig zu tun hat mit dem anfänglichen Protest, der ein rein bürgerschaftlicher war.

Ganz unrecht hat er damit nicht. Die Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg", die das Abwahlbegehren initiiert hatte, wird mittlerweile massiv von der SPD unterstützt. Auch FDP, Linke und zumindest Teile der Grünen haben zur Abwahl Sauerlands aufgerufen. Knapp 92.000 Stimmen werden dafür gebraucht, das Quorum liegt bei einem Viertel alle Duisburger Wahlberechtigten. Selbst unter Sauerlands Gegnern bestanden große Zweifel, ob eine solche Zahl zu erreichen ist. Im Rathaus hieß es am Freitag gerüchtehalber, es seien schon 40.000 Briefwahlstimmen eingangen, was die Stadt aber offiziell nicht bestätigen wollte.

Wer an Sauerland festhalten will, muss mit Nein stimmen

Sauerland verdankt seinen bisherigen Verbleib im Amt auch der Unterstützung durch die CDU, zumindest dem Umstand, dass ihn Landesparteichef Norbert Röttgen nicht hat fallen lassen. Die Parteispitze ignoriert Sauerland einfach. Er ist der letzte CDU-Oberbürgermeister im Ruhrgebiet, bei seiner Abwahl oder einem Rücktritt rechnen die Christdemokraten nicht damit, die Stadt noch einmal für sich gewinnen zu können. Also darf Sauerland bleiben.

Zumindest solange ihn die Bürger noch wollen. Sauerland hatte seine Parteifreunde erst dazu aufgerufen, die Wahl zu boykottieren. Dann merkte die CDU allerdings, dass viele bürgerliche Wähler an der Abstimmung teilnehmen wollen. Daraufhin begann Sauerland einen Mini-Wahlkampf, Broschüren wurden gedruckt mit seiner vorläufigen Bilanz und vor allem den Hinweisen, wo das Kreuzchen zu machen ist. Denn vor allem ältere Wähler, so die Befürchtung in der CDU, könnten unfreiwillig gegen Sauerland stimmen. Wer nämlich will, dass er im Amt bleibt, muss am Sonntag mit Nein stimmen.

Sauerland selbst wollte mit seinen Söhnen zur Abstimmung kommen. "Gehen Sie ruhig mal davon aus, dass es bei uns ein homogenes Ergebnis geben wird", hat er angekündigt. Die Frage wird sein, ob das reicht.

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