50 Jahre Pumuckl:Und niemand was meckt

Pumuckl wird 50

"Meister Eder und sein Pumuckl" begeistert Kinder und Erwachsene seit bald vier Jahrzehnten-

(Foto: dpa)

Ob es der Niedergang der CSU als Staatspartei ist oder der Aufstieg der Grünen. Alles hat doch irgendwie mit dem rothaarigen Kobold zu tun. Wie Pumuckl ganz subtil eine Reihe gesellschaftlicher Umbrüche angestoßen und Bayerns heile Welt zerstört hat.

Franz Kotteder

Ein halbes Jahrhundert ist eine ordentliche Spanne Zeit. In 50 Jahren ändert sich die Welt gewaltig. Und wenn jemand 50 Jahre alt wird, stellt sich natürlich die Frage, wie sehr er sich in dieser Zeit verändert hat. Im Falle des Pumuckls ist diese Frage schnell beantwortet: eher geringfügig. Kobolde sind qua definitione eher zeitlose Figuren. Rein mythologisch gehören sie zu den Elfen, von deren Aufzucht und Lebensstationen der Mensch wenig bis gar nichts weiß. Kobolde sind ähnlich wie die Heinzelmännchen, mit denen sie trotz oder gerade wegen aller Feindschaft verwandt sind, einfach da und bleiben es auch in aller Regel, ohne sich groß zu verändern.

Interessanter ist jedoch die Frage, was sie selbst alles verändern, zum Guten oder zum Schlechten. Heinzelmännchen, das ist klar, sind stets nur hilfreich und gut. Kobolde hingegen sehen es als ihre ureigene Aufgabe an, den Menschen zu ärgern, auf den Arm zu nehmen, seine Werke zu zerstören, zu verhindern oder zumindest doch den Erfolg der menschlichen Arbeit zu hintertreiben. Was den rothaarigen Kobold Pumuckl angeht, so hat man jahrzehntelang nur über seine putzigen Streiche gelacht, ohne seine erstaunliche Wirkungsgeschichte zu beachten. Denn die Welt - und ganz speziell die bayerische Welt - hat sich, seit er erstmals aufgetreten ist, gewaltig verändert.

Daran war der Pumuckl bei weitem nicht so unschuldig, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Ja, es deuten sogar viele Anzeichen darauf hin, dass er durch seine vermeintlich harmlosen Scherze und den Schabernack ("Pumuckl neckt, Pumuckl versteckt, niemand was meckt"), den er mit den Menschen seiner Umgebung treibt, die bayerischen Kinder erst so richtig zum Zweifeln an den Autoritäten verleitet hat. Gehört doch eine latente Neigung zur Anarchie - siehe Bayerischer Hiasl, Wildschütz Jennerwein und Räuber Kneissl - ohnehin zu den Nationaleigenschaften unseres Alpenvolks. Und wohin es führt, wenn man diese Neigung noch befördert, sehen wir heute.

Direkte Folgen sind der Niedergang der CSU als Staatspartei und der Aufstieg der Grünen, an deren Spitze im Landtag Margarete Bause steht, die nicht nur ihrer Haarfarbe wegen etwas Pumucklhaftes hat. Des Weiteren haben wir heute die Energiewende, die mit der Umwidmung der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf zur Fahrradspeichenfabrik begann. Und all das gipfelt im Auftritt von CSU-Finanzminister Markus Söder bei der Veitshöchheimer Fastnacht als Punk mit roter (!) Irokesenfrisur. All das hätte es unter Franz Josef Strauß sicher nicht gegeben. Der übrigens, ein weiterer Hinweis, selbst in der CSU nicht mehr so viel gilt wie einst: Sogar Ministerin Christine Haderthauer traute sich einmal, ihn "nicht in jeder Hinsicht als Vorbild" zu sehen.

Überdies ist auffällig, wie sehr gesellschaftliche Umbrüche mit dem Pumuckl und seinem Auftreten zeitlich korrespondieren. So erblickte der kleine rothaarige Kobold das Licht der Öffentlichkeit am 21. Februar 1962, damals sendete der Bayerische Rundfunk (BR) das erste Pumuckl-Hörspiel. Genau vier Monate später, am 21. Juni 1962, brachen die Schwabinger Krawalle los, die längst als Vorboten der Studentenunruhen von 1968 gelten. Nur ein Zufall?

Damals war es wohl noch zu früh, den Zusammenhang zu erkennen. Man muss sich aber einmal vor Augen führen, wie die Kinder der sechziger und siebziger Jahre tatsächlich sozialisiert worden sind und was für eine Revolution so ein frecher Kobold, verglichen damit, gewesen ist. Damals war es ja noch nicht verpönt, die lieben Kleinen vor den Rundfunkempfänger oder den Fernseher zu parken, damit sie ihre Eltern eine Weile in Ruhe ließen. Im Fernsehen, da war die Welt noch in Ordnung. Es gab zum Beispiel das "Königlich bayerische Amtsgericht" von Georg Lohmeier zu sehen, 53 Folgen lang, mit dem immergleichen Vorspann und jenem Text, den viele der damaligen Kinder heute noch auswendig können: "Das Bier war noch dunkel, die Menschen war'n typisch; die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm und ein bisserl leger."

Fast so heil wie diese Welt war auch jene in den Radiohörspielen mit dem Meister Eder. Da konnten biedere Handwerker noch von ihrer Arbeit leben, in den Wirtschaften gab es Stammtische, an denen selbstverständlich Zigarren geraucht wurden, und ab und zu brachte der Meister Eder einen sauberen Suri, wie man einen leichteren Alkoholrausch früher nannte, mit nach Hause. Darüber durfte man lachen und musste keineswegs missbilligend den Kopf schütteln, wie das heute der Fall ist.

In diese heile Welt brach der Pumuckl ein. Der war, gesprochen vom Hans Clarin, erkennbar kein Süddeutscher, sondern stammte von einem Segelschiff. Vermutlich hat es ihn bei der legendären Hamburger Sturmflut vom 16./17. Februar 1962, wenige Tage vor seinem ersten Auftritt im Radio, hinunter in den Süden gespült, hinein in die Werkstatt des Franz Eder im Münchner Lehel. Dort brachte er die Welt des braven Schreinermeisters gehörig durcheinander, lebte jedwede Form von Anarchie leidenschaftlich aus. Er war und ist vorlaut, gemein, hinterhältig, widersetzlich, unordentlich und lässt es krachen, wo es nur geht.

Freilich: Dem Meister Eder wächst der freche Kerl schnell ans Herz, und den Kindern erst recht - darf sich der Kobold doch vieles erlauben, was ihnen verwehrt ist. Muss da bei jenen nicht ganz zwangsläufig der Eindruck entstehen: Ich darf mir selbstverständlich alles herausnehmen, so lange ich dabei nur herzig genug bleibe? Oder aber nach Koboldart unsichtbar bin, also im Verborgenen handele? Genau so ist es: Mit einer solchen Einstellung wird man gar Minister, gelangt in höchste Staatsämter. Zumindest ist eine große Mehrheit der Bevölkerung davon überzeugt.

Das Kinderbuch "Onkel Toms Hütte", 1852 erschienen, soll ganz wesentlich zur Abschaffung der Sklaverei in den USA beigetragen haben. 110 Jahre später kam der Pumuckl auf die Welt, und er hat erkennbar allerhand bewirkt. Wohin das noch führen könnte, das mag man sich aber lieber nicht ausmalen.

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