Bahn-Verspätungen:Pünktlichkeit hat ihren Preis

Mit simplen Lösungen wird die Bahn nicht pünktlicher: Das deutsche Schienennetz ist an der Grenze der Belastbarkeit. Damit die Bahn besser im Takt bleibt, muss die Infrastruktur massiv ausgebaut werden. Dafür reichen die 50 Milliarden Euro, die die Bahn bis 2016 ausgeben will, bei weitem nicht. Deutschland muss sich seine Bahn viel mehr kosten lassen.

Daniela Kuhr

Wer in diesen Tagen auf der Internetseite der Bahn das Feld "Ist mein Zug pünktlich?" anklickt, erlebt fast schon eine kleine Sensation: So gut wie alles befindet sich im grünen Bereich, kaum ein Zug hat Verspätung. Ist es der Bahn also tatsächlich gelungen, ihre Probleme endlich in den Griff zu bekommen?

Das zu behaupten wäre leider verfrüht. Es ist vielmehr so, dass im Moment mehrere günstige Umstände zusammenkommen. Noch gibt es kaum Baustellen, auch hat der Güterverkehr nach dem Winter noch nicht wieder richtig Fahrt aufgenommen, und sogar das Wetter spielt mit. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis sich das wieder ändert. Und dann werden die Fahrgäste auch wieder häufiger zu spüren bekommen, wie knapp die Bahn mit Zügen ausgestattet ist - und wie störanfällig die gesamte Infrastruktur ist.

Dann wird es sie wieder geben, die Tage, an denen alles rot aufleuchtet in der Pünktlichkeitsstatistik der Bahn. Nicht jeder wird dafür Verständnis haben. Zumal manch simple Lösung sich geradezu aufdrängt, wie etwa die Frage: Warum baut das Unternehmen nicht einfach von vornherein mehr Puffer in seine Fahrpläne ein? Dann würde es gar nichts ausmachen, wenn ein Zug mal ein paar Minuten ins Hintertreffen gerät. Er könnte das bis zum nächsten Bahnhof leicht wieder aufholen. Doch so naheliegend diese Maßnahme auch sein mag, bei näherer Betrachtung erweist sie sich als wenig sinnvoll.

Schon jetzt ist das deutsche Schienennetz an der Grenze der Belastbarkeit. 29.000 Züge rollen tagtäglich bundesweit über die Gleise. Und es ist das erklärte Ziel der Politik, dass es noch mehr werden, schließlich will man so viel Verkehr wie möglich von der Straße auf die Schiene verlagern.

Warum die Schweiz und Japan pünktlicher sind

Wenn nun aber die Bahn in ihre Fahrpläne von vornherein größere Puffer einbauen würde, dann hieße das, dass ihre Züge entweder auf der Strecke langsamer unterwegs wären oder im Bahnhof länger stünden. In jedem Fall würden sie die ohnehin schon knappe Infrastruktur länger als bisher blockieren - und damit weitere Verbindungen erschweren. Es wären insgesamt weniger Züge unterwegs, die in Folge dessen auch noch voller wären.

Bahnkritiker verweisen gern auf die Schweiz oder auf Japan, die beide beeindruckende Pünktlichkeitswerte erreichen: Wieso klappt es dort, und hier nicht? Doch der Vergleich hinkt. So hat Japan etwa, genau wie Frankreich, ein eigenes Netz, auf dem nur Hochgeschwindigkeitszüge fahren - während die deutschen ICE-Züge sich ihre Gleise mit dem Regional- und Güterverkehr teilen.

Und das Schweizer Netz wiederum lässt sich schon deshalb kaum mit dem deutschen vergleichen, weil es im Vergleich dazu winzig ist. Eine 945 Kilometer lange Strecke, wie sie die Bahn von Berlin über Frankfurt und Stuttgart nach München fährt, kommt in der Schweiz nicht vor. Je länger aber die Strecke, umso leichter schaukeln sich Verspätungen auf.

Mit simplen Lösungen ist es nicht getan

Es wäre aber auch niemandem gedient, wenn die Bahn nun einfach ebenfalls kürzere Verbindungen anbieten würde. Dann müssten mehr Reisende umsteigen. Schon davon wären sie nicht begeistert - erst recht nicht, wenn ihnen zudem auch noch der Anschlusszug vor der Nase wegführe. Genau das aber müsste geschehen, wollte man die Pünktlichkeit erhöhen. Denn andernfalls wäre ja nichts gewonnen. Würden die Züge warten, entstünden die gleichen Verspätungen wie bei einer Direktverbindung.

Ohnehin ist dieses Warten der Anschlusszüge auch jetzt schon ein häufiger Grund für Unpünktlichkeit. So hat eine aktuelle Auswertung der SZ ergeben, dass fast jeder zehnte Zug verspätet ist, weil er auf Fahrgäste aus einem anderen Zug gewartet hat. Das müsste die Bahn nicht machen, sie könnte sich auch strikt an den Fahrplan halten. Dann wäre sie auf einen Schlag pünktlicher - aber die Fahrgäste sicher nicht zufriedener.

Man sieht: Mit simplen Lösungen ist es nicht getan. Das effektivste Mittel, um die Bahn pünktlicher zu machen, wäre dagegen ein massiver Ausbau der Infrastruktur. Die vielen Knoten und Engpässe im deutschen Netz müssten dringend entlastet werden. Dafür aber ist nicht nur ein allgemeiner Konsens zwischen Bund, Bahn und Bevölkerung nötig. Man braucht auch Geld, sehr viel sogar. Die 50 Milliarden Euro, die die Bahn bis 2016 ausgeben will, reichen bei weitem nicht. In diesem Punkt muss sich der Bund daher tatsächlich den Vergleich zur Schweiz gefallen lassen: Das Nachbarland steckt jährlich 308 Euro pro Einwohner in das Schienennetz. Hierzulande sind es gerade mal 53 Euro.

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