Wahlkampf in Frankreich:Sarkozy schockiert mit Forderungen nach neuen Grenzkontrollen

"Säbelrasseln in höchster Potenz": Scharf reagieren die französische Opposition und das Nachbarland Luxemburg auf die Drohung von Präsident Sarkozy, wieder Grenzkontrollen zu EU-Ländern einzuführen. Nicht einmal die extreme Rechte um Marine Le Pen stellt sich in diesem Punkt hinter den Wahlkämpfer. Brüssel zeigt sich wortkarg.

Es wirkt ziemlich populistisch, was Nicolas Sarkozy da gerade im Wahlkampf vom Stapel lässt: Bei einem Auftritt vor mehreren zehntausend Anhängern in Villepinte bei Paris beklagte er am Sonntag den "Zustrom" von Ausländern nach Frankreich. Seine Heimat werde die "Unzulänglichkeiten" bei den Kontrollen der europäischen Außengrenzen nicht hinnehmen. Die EU-Länder müssten gegen illegale Einwanderung vorgehen. Sollten die Schengen-Verträge nicht reformiert werden, droht der Konservative, werde Frankreich eben seine Beteiligung "aussetzen".

Nicolas Sarkozy

Nicolas Sarkozy bei seinem Wahlkampfauftritt in Villepinte: Frankreich wird die "Unzulänglichkeiten" bei den Kontrollen der europäischen Außengrenzen nicht hinnehmen

(Foto: AP)

Bislang ist noch unklar, ob diese Parolen im Wahlvolk Wirkung erzielen. Immerhin hat er bereits eines erreicht: Mit scharfer Kritik reagierte die französische Opposition auf die Drohung des Präsidenten, vorläufig wieder Kontrollen an den Grenzen zu anderen EU-Ländern einzuführen. Der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande hielt Sarkozy vor, Europa zum "Sündenbock" zu machen. Zentrumskandidat François Bayrou sprach von "purer Phantasterei".

Die Sozialisten verwiesen darauf, dass der konservative Präsident ihnen vorgeworfen hätte, ausgehandelte EU-Vereinbarungen über den Haufen werfen zu wollen, weil Hollande Nachverhandlungen zum Fiskalpakt verlangt hatte. Nun aber stelle Sarkozy selbst das Schengen-Abkommen in Frage. Hollande hielt dem Staatschef am Sonntagabend im Sender M6 außerdem vor, in Villepinte sein Programm nicht vorgestellt und seine Bilanz "verschleiert" zu haben.

Zentrumskandidat Bayrou nannte es im Sender Radio France "pure Phantasterei", dass Frankreich aus dem Schengen-Raum ausscheiden könnte. Er stellte die Frage, ob wirklich jemand daran glaube, dass Frankreich wieder Zollstationen aufbauen und Zöllner einstellen würde.

Selbst von ganz Rechtsaußen gab es keine Zustimmung: Die Rechtsextreme Marine Le Pen sagte, der Staatschef habe selbst zur "Diktatur" der EU beigetragen. Le Pen, deren Wähler der konservative Präsident seit Wochen umwirbt, sagte im Interview mit BFM-TV und Le Point-RMC, dass Frankreich durch Europa geschwächt werde.

Deutschland betont "hohes Gut" der Freizügigkeit

Mit dem Schengener Abkommen vereinbarten die teilnehmenden Staaten seit den 1980er Jahren gemeinsame Standards bei den Einreiseregelungen. An den Binnengrenzen des Schengenraums gibt es keine Passkontrollen. Ausländer, die in einen der Schengen-Staaten eingereist sind, genießen das Prinzip der Freizügigkeit.

Die EU-Kommission reagierte mit Befremden auf die Schengen-Ausstiegsdrohung Sarkozys. Derzeit werde an einer Reform des Schengenvertrages gearbeitet, um das Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken, sagte EU-Binnenkommissarin Cecilia Malmström in Brüssel. Die Verhandlungen schritten voran. Wenn Frankreich austreten wolle, müssten die EU-Verträge geändert werden.

Die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gab sich auf eine Frage dazu äußerst wortkarg: "Wir kommentieren nationale Wahlkampf-Reden nicht. Und wir werden auch diese Rede nicht kommentieren", sagte sie.

Die Bundesregierung betonte das "hohe Gut" der Freizügigkeit in Europa. "Der freie Personenverkehr zählt zu den konkretesten und größten Errungenschaften der europäischen Integration und stellt eine Grundfreiheit dar", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Zu Diskussionen im französischen Wahlkampf würden sich die Regierung und Kanzlerin Angela Merkel aber nicht äußern wollen.

Frankreichs Nachbar Luxemburg übte hingegen deutliche Kritik. Die Drohung, die eigenen offenen Grenzen zumindest vorübergehend wieder zu schließen, sei populistisch und antieuropäisch, sagte Außenminister Jean Asselborn der Nachrichtenagentur dpa in Luxemburg. Es handele sich um "Säbelrasseln in höchster Potenz".

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