Streit über 400-Euro-Beschäftigung:Protest gegen Minijobs

Millionen Deutsche haben einen Minijob. Gewerkschafter kritisieren, dass Arbeitgeber reguläre Stellen auf 400-Euro-Jobs aufsplitten. Der DGB würde sie am liebsten in richtige Teilzeitstellen umwandeln - doch die Bundesregierung möchte die jetztigen Minijobs sogar noch attraktiver machen.

Thomas Öchsner

Deutschland - Land der Minijobber: 7,4 Millionen Menschen, meistens Frauen, haben eine Stelle auf 400-Euro-Basis, für die sie keine Steuern und Sozialabgaben zahlen müssen. 2,5 Millionen nutzen diese Möglichkeit als Nebenjob. Viele bessern damit ihre Rente auf oder verdienen sich als Schüler, Student oder Hartz-IV-Empfänger etwas dazu - und profitieren vom Prinzip "Brutto für netto".

Fensterputzer

Fensterputzer auf dem Oktoberfest 2010 in München.

(Foto: dpa)

Trotzdem will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Minijobs abschaffen und schrittweise in richtige Teilzeitstellen umwandeln. Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und vor allem auch Frauen seien in den Minijobs geradezu gefangen, "buchstäblich sind sie in Kleinstarbeitsverhältnissen im Niedriglohnsektor eingemauert", sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Es geht dabei, wie so oft in der Politik, um Wunsch und Wirklichkeit. Am Anfang stand eine gute Idee. Arbeitslose sollten endlich Jobs bekommen, die Schwarzarbeit sollte abnehmen - deshalb erweiterte 2003 die damalige rot-grüne Regierung die Minijobs.

Fast zehn Jahre später hält eine wachsende Anzahl von Arbeitsmarktexperten von dieser Idee nicht mehr viel: Die 400-Euro-Jobs sind bei ihnen als arbeitsmarktpolitischer Fehlanreiz in Verruf geraten, aus drei Gründen: Anders als erhofft haben sich die Minijobs nicht als Brücke hin zu einem regulären Vollzeitjob entwickelt, das gilt gerade für gering Qualifizierte. Schwarzarbeit wird mit den 400-Euro-Stellen sogar eher verschleiert. Der Minijob wird regulär angemeldet, und zusätzlich Geld schwarz ausgezahlt. Das fällt bei Kontrollen in der Regel nicht auf, weil die geleistete Arbeit sich nicht kontrollieren lässt und sich der Minijobber legal in dem Betrieb aufhält.

Arbeitgeber splitten Vollzeitstellen in 400-Euro-Jobs auf

Hinzu kommt der Missbrauch durch manche Arbeitgeber: Sie splitten Vollzeitstellen in mehrere 400-Euro-Jobs auf und drücken dabei ihre Lohnkosten, weil sie für die Minijobber kein Tarifgehalt zahlen, Überstunden nicht erstatten oder ihren Mitarbeitern Leistungen wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubstage vorenthalten.

Damit will der DGB Schluss machen. Die Gewerkschaft fordert deshalb auch für die Minijobs Steuern und Abgaben vom ersten Euro an - in Form eines ganz neuen Modells: Die Beschäftigten müssen sich mit zunehmenden Einkommen an den Sozialversicherungsbeiträgen beteiligen, sodass ihre Abgaben bis 800 Euro kontinuierlich steigen, während sie sich für den Arbeitgeber verringern, je niedriger das Einkommen des Mitarbeiters ist. Erst ab 800 Euro werden die Beiträge - wie sonst auch - hälftig aufgeteilt.

Verglichen mit der bisherigen Regelung zahlt der Arbeitnehmer bei einem Einkommen von 400 Euro 48 Euro statt bisher gar nichts. Dafür sind sie sozial besser abgesichert. Die Arbeitgeber, die bisher schon Sozialabgaben und Steuern für Minijobber abführen müssen, zahlen bis 400 Euro maximal 18 Euro zusätzlich. Bei 450 Euro ist mit einem Plus von 37 Euro die Spitze der Mehrbelastung erreicht. Danach geht sie kontinuierlich zurück. Nach einer Frist von drei Jahren sollen die Arbeitnehmer ihr Einkommen voll versteuern, während die Steuerpauschale für die Arbeitgeber wegfällt.

Regierung will Grenze auf 450 Euro erhöhen

Der DGB erhofft sich, dass Unternehmen verstärkt längere und tariflich bezahlte Teilzeitstellen und nicht, wie vor allem im Handel und in der Gastronomie häufig üblich, nur noch Minijobs anbieten. Die Mehrheit der Frauen wolle länger arbeiten. "Viele streben eine Beschäftigung an, die in etwa so hoch liegt wie bei anderen Teilzeitkräften zwischen 20 und 25 Stunden", sagt Buntenbach. Die Gefahr, dass es dann noch mehr Schwarzarbeit gibt, sieht sie nicht. Jobs im Dienstleistungssektor ließen sich nicht verlagern. Geputzt und gekellnert werde auch weiter in Deutschland.

Ob der DGB mit diesem Konzept durchdringt, ist fraglich. SPD und Grüne signalisierten am Donnerstag, eine Reform der Minijobs zu unterstützen. Die Arbeitgeberverbände haben sich schon quergelegt. Sie argumentieren, dass die DGB-Vorschläge "die Zusatzkosten für Arbeitnehmer und Betriebe unangemessen erhöhen" würden. Die Regierungskoalition hat ohnehin anderes vor: Sie will die geltende Minijob-Grenze sogar von 400 auf 450 Euro erhöhen.

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