Umweltminister als CDU-Spitzenkandidat in NRW:Röttgen stellt sich der wichtigsten Probe

Es ging für ihn immer nur nach oben, auch wenn er dabei so manchen Freund verlor. Nun ist Röttgen nicht mehr nur Bundesumweltminister, sondern auch Spitzenkandidat der Union in Nordrhein-Westfalen. In der CDU gilt er als Gewinner, der auch Kanzlerkandidat werden könnte. Doch ob der Jurist, der gerne den wägenden Intellektuellen gibt, die Wähler mitreißen kann, das muss er jetzt beweisen.

Michael Bauchmüller

Was äußerer Druck so alles bewirken kann, hat sich Norbert Röttgen erst Anfang der Woche angesehen. Da bequemte sich der Bundesumweltminister ins marode Atomendlager Asse hinab, Anwohner hatten auf diesen Besuch schon länger gewartet. Unten im Salzstock sah Röttgen dann Stahlträger, die dem Druck nachgaben wie Büroklammern. Der Minister war beeindruckt. Er konnte da ja noch nicht ahnen, dass er schon zwei Tage später unter ähnlichen Druck geraten würde.

Bundestag

Umweltminister, Ministerpräsident oder nur Oppositionsführer? In den kommenden Wochen entscheidet sich die politische Zukunft Norbert Röttgens (CDU).

(Foto: dapd)

Seit Mittwoch ist Röttgen, 46, nicht mehr nur Bundesumweltminister, sondern auch Spitzenkandidat der Union in Nordrhein-Westfalen. Was wird, wenn er die Wahl nicht gewinnt, das möchte Röttgen am liebsten offen lassen. Erst stehe nun der Wahlkampf an, sagt er, "dann gucken wir mal, was rauskommt". Schon wächst allerdings der Druck, sich ganz der Sache in Nordrhein-Westfalen zu widmen.

"Er glaubt offensichtlich noch nicht einmal selbst daran, Ministerpräsident zu werden", ätzt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Er muss sich jetzt zwischen Berlin und Düsseldorf entscheiden." Und auch CSU-Chef Horst Seehofer rät: "voll für NRW." Und zwar ohne Rückfahrkarte. Röttgen hätte gerne das Sowohl-als-auch. Doch es droht nun alles oder nichts.

Ganz neu ist diese Lage für ihn nicht. 2006 stand er ganz knapp davor, Hauptgeschäftsführer des Industrie-Verbands BDI zu werden, doch wollte er nicht dafür auf sein Bundestagsmandat verzichten. Als die Kritik daran lauter wurde, verzichtete Röttgen - auf den Industrieposten. Drei Jahre später belohnte ihn Angela Merkel mit dem Amt des Bundesumweltministers. Aber jetzt?

Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen beurteilen die Situation gar nicht so schlecht. "Seit ich ihn kenne, hat Röttgen immer gewonnen", sagt einer, der ihn schon aus Zeiten bei der Jungen Union kennt. "Selbst dann, wenn ihm das niemand zugetraut hat." Mancher erinnert sich noch an die Kampfabstimmung um den Vorsitz in Röttgens Kreisverband Rhein-Sieg, es ist eine halbe Ewigkeit her. Parteifreunde hatten ihm damals mit knapper Mehrheit das Vertrauen entzogen, Röttgen aber kämpfte um die Wiederwahl - und gewann.

Kampfabstimmung ist Röttgens ständiger Begleiter

Die Kampfabstimmung ist seither Röttgens ständiger Begleiter. 2009 kandidiert er um den Vorsitz des CDU-Bezirks Mittelrhein - und gewinnt gegen seinen einstigen WG-Kumpel Andreas Krautscheid. Wenig später ringt er mit seinem Parteifreund Armin Laschet um den Vorsitz der NRW-CDU, per Mitgliederbefragung. Röttgen gewinnt. Kurz darauf zieht er in den Bundesvorstand seiner Partei ein. Unter potentiellen CDU-Kanzlerkandidaten zählt er ganz sicher zu den aussichtsreichsten; auch wenn er auf dem Weg nach oben so manchen Freund verlor.

An diesem Freitag wird man Röttgen in Bornheim erwarten, nicht weit von Bonn, es ist eine Art inoffizieller Wahlkampf-Auftakt. An der Europaschule soll er vormittags eine Anzeigetafel einweihen; Schüler und Lehrer können da künftig nachlesen, wie viel Sonnenstrom vom Schuldach fließt, die Pressemitteilung ist schon fertig. "Die Menschen müssen auf dem Weg hin zu erneuerbaren Energien mitgenommen werden", soll Röttgen demnach sagen. Und wo sonst gehe das besser als an Schulen.

Menschen begeistern ist nicht eine seiner Stärken

Menschen mitnehmen, das ist bisher nicht eine der großen Stärken Röttgens. Analysieren, antichambrieren, kluge Reden halten - das ja. Ob aber der Jurist Röttgen, der gerne den wägenden Intellektuellen gibt, in Wahlkämpfen mitreißen kann, dieser Beweis steht noch aus. Die nächsten acht Wochen entscheiden so auch über seine weitere Karriere - nicht nur mit Blick auf die Frage, ob er danach noch Umweltminister ist, Ministerpräsident oder nur Oppositionsführer. Neider und Feinde hat er ohnehin genug, vor allem in der eigenen Partei.

Gewinnt Röttgen die Wahl, kann das der Union auch den Weg ebnen für eine Koalition mit den Grünen, die erste in einem Flächenstaat. Etwa, wenn es für die Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses nicht reicht, wohl aber für eine große Koalition oder eine aus CDU und Grünen. Röttgen ist der zweiten Variante offensichtlich nicht abgeneigt. "Die CDU möchte stärkste Partei werden", sagt er. Dann aber sei durchaus auch ein Bündnis mit den Grünen denkbar - was diese selbst freilich rundweg ablehnen.

Röttgen gehörte zur "Pizza-Connection"

Für Röttgen selbst schlösse sich damit ein Kreis. Mitte der neunziger Jahre, er war gerade erst in den Bundestag eingezogen, zählte er zu einer Gruppe junger Unions-Abgeordneter, die den Kontakt zu den Grünen suchte. Regelmäßig traf sich die "Pizza-Connection" im Weinkeller eines Bonner Italieners. Viele von damals sitzen heute in Schlüsselpositionen. Später half Röttgen mit, die Union für ein Bündnis mit den Grünen zu öffnen, wenngleich erst im zweiten Anlauf. War er 2010 im Streit um die Atomkraft mit seiner Forderung nach moderaten Laufzeitverlängerungen noch unterlegen, verhalf er der eigenen Partei nach Fukushima zu einem atomkritischen Kurs. Das größte Hindernis zwischen Union und Grünen wäre damit ausgeräumt.

Seine Spur als Umweltminister bleibt allerdings bescheiden. Einmal abgesehen vom Atomausstieg hat Norbert Röttgen im Wesentlichen das Erbe seiner Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) gegen Angriffe aus dem Wirtschaftsflügel der eigenen Partei verteidigt. Und ausgerechnet sein größtes und wichtigstes Unterfangen, der Neustart bei der Suche nach einem Atomendlager, droht jetzt im nordrhein-westfälischen Wahlkampf unterzugehen. Ob er nun Umweltminister bleibt oder nicht.

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