Berthold Huber über Pierer-Einigung:"Gut für das Geschäft"

Was IG-Metall-Chef Huber zu der Einigung im Fall Pierer sagt - und wie er die Rolle von Josef Ackermann bei der Aufklärung der Siemens-Korruptionsaffäre beurteilt.

Klaus Ott

Der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, 59, hat im Aufsichtsrat von Siemens dazu beigetragen, dass der Korruptionsskandal weitgehend aufgeklärt und die alte Konzernspitze ausgewechselt wurde. Der Gewerkschafter gehört dem Kontrollgremium seit 2004 an und ist inzwischen in das Präsidium des Aufsichtsrats aufgerückt.

Berthold Huber, Foto: dpa

"Siemens kann sich jetzt darauf konzentrieren, die Wirtschaftskrise und deren Folgen zu bewältigen": Berthold Huber ist froh über die Einigung mit dem ehemaligen Konzernchef Heinrich von Pierer.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Huber, kommen der ehemalige Siemens-Chef Heinrich von Pierer und dessen frühere Kollegen zu billig davon? Sie zahlen nur zwischen 500.000 und fünf Millionen Euro, der Schaden beträgt aber Milliarden.

Berthold Huber: Wir als Vertreter der Belegschaft haben im Aufsichtsrat von Siemens, was die Höhe der Zahlungen anbelangt, diesen Vergleichen nicht mit großer Begeisterung zugestimmt. Wir haben das im Interesse des Unternehmens genehmigt, weil für uns die Arbeitsplätze zählen. Ein jahrelanger Prozess gegen Pierer hätte Siemens von den eigentlichen Aufgaben, auf die es jetzt ankommt, nur abgelenkt. Nun sind nur noch zwei Fälle offen. Das ist überschaubar.

SZ: Pierer hätte doch vor Gericht mehr zu befürchten gehabt als Siemens.

Huber: Siemens kann sich jetzt darauf konzentrieren, die Wirtschaftskrise und deren Folgen zu bewältigen. Bei einem Prozess gegen Pierer wäre das Unternehmen auf Jahre hinaus mit dem Korruptionsfall in den Schlagzeilen gewesen. Es ist gut für das Geschäft, dass diese Auseinandersetzungen beendet sind. Siemens soll positive Schlagzeilen machen.

SZ: War Aufsichtsratschef Gerhard Cromme am Ende zu nachgiebig mit seinem früheren Weggefährten Pierer?

Huber: Der Aufsichtsrat hat in dieser für Siemens schwierigen Phase Kurs gehalten, und Cromme hat dabei eine positive Rolle gespielt. Cromme war nicht nachgiebig, sondern hat korrekt und im Interesse des Unternehmens gehandelt.

SZ: Und was ist mit Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank? Er hat einst als Aufsichtsrat von Mannesmann hohe Abfindungen an ausgewechselte Vorstandsmitglieder genehmigt, kam daraufhin vor Gericht, das Verfahren gegen ihn wurde gegen Zahlung von 3,2 Millionen Euro eingestellt. Wie hat Ackermann als Aufsichtsrat bei Siemens agiert?

Huber: Er hat ganz offensichtlich aus Mannesmann gelernt und die Aufklärung der Korruptionsdelikte bei Siemens gefördert, einschließlich der nötigen Folgen. Wir haben ja fast den gesamten Vorstand ausgewechselt. An Konsequenzen haben wir es nicht mangeln lassen.

SZ: Was sind die Lehren aus dem in der deutschen Wirtschaft und in dieser Dimension einmaligen Fall Siemens?

Huber: Der Vorstand trägt die Verantwortung für das, was im Unternehmen geschieht. Er kann sich nicht auf Nichtwissen berufen. Es kann nicht sein, dass die Verantwortung auf die Belegschaft abgewälzt wird. Insofern haben die Zahlungen der Ex-Vorstände eine hohe symbolische Bedeutung, auch wenn der Schaden nicht annähernd ersetzt wird.

SZ: Wird Korruption in vielen Teilen der Wirtschaft nicht nach wie vor als notwendiges Übel betrachtet?

Huber: Das glaube ich nicht. Siemens hat die Affäre beispielhaft aufgearbeitet, daran muss man sich orientieren. Hier wird ein neues Kapitel in der deutschen Wirtschaft aufgeschlagen. Mit Prinzipien, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern gelebt werden. Kein Unternehmen kommt mehr ohne klare Regeln aus, ohne funktionierende Compliance-Abteilungen, die für saubere Geschäfte sorgen und Korruption verhindern.

SZ: Konzerne müssen sich also umstellen?

Huber: Das muss auch bei den Mittelständlern so kommen. Wer glaubt, das gehe nur die Großen etwas an, der irrt.

SZ: Und was bleibt bei Siemens von Pierer in Erinnerung? Er fühlt sich von seinem früheren Arbeitgeber geradezu verfolgt.

Huber: Herr Pierer hat für Siemens eine wichtige und in wesentlichen Teilen auch gute Rolle gespielt. Das jetzt zu einer persönlichen Auseinandersetzung zu machen, ist falsch. Ich verstehe, dass Pierer um sein Gesicht kämpft. Man kann sein Gesicht aber auch wahren, indem man Fehler zugibt und dazu steht.

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