Saarland-Wahl:"Wir Piraten sind die neuen Liberalen"

Sechsmal mehr Stimmen als die FDP holten die Piraten im Saarland. 7,4 Prozent, aus dem Stand. Für Andreas Augustin bedeutet das: Er ist plötzlich Berufspolitiker. Ein Gespräch über die Ähnlichkeiten mit der Uni, Livestreams aus Ausschüssen - und Liberale, die nun nach Hessen auswandern wollen.

Michael König, Saarbrücken

Andreas Augustin, 32, trat als Direktkandidat der Piraten im Wahlkreis Saarbrücken an. Der IT-Systemadministrator ist einer von vier Politikern der Netzpartei, die künftig im Landtag des Saarlandes sitzen. Während der Erfolg der Piraten die Leitartikler des Landes beschäftigte, reagierte Augustin, Twittername "gobold1979", betont cool auf den Trubel um seine Person.

Landtagswahl im Saarland

Andreas Augustin (links) feiert auf der Wahlparty in Saarbrücken den Erfolg der Piraten.

(Foto: dapd)

SZ: Herr Augustin, Sie sind binnen eines Tages Berufspolitiker geworden, der in Elefantenrunden steht und Fernsehinterviews gibt. Wie können Sie so ruhig bleiben?

Augustin: (lacht) Für mich war die eigentliche Anspannung der Wahlkampf. Um es im Uni-Jargon zu sagen: Das waren die Hausaufgaben, die wir zu erledigen hatten. Zum Schluss, kurz vor der Prüfung, war es besonders heftig, weil sich kurz vor der Wahl noch viele Leute entscheiden. Aber am Sonntag war klar, dass es jetzt nicht mehr in unserer Hand liegt. Da musste ich halt warten, bis ich die Note bekam.

SZ: Die fiel gut aus. Sie sind künftig Landtagsabgeordneter. Was sagt Ihr Chef dazu?

Augustin: Mein Chef ist glücklicherweise ähnlich entspannt wie ich. Es gibt in der Firma zwei, drei Bereiche, in denen nur ich mich auskenne. Und da gab es schon den Hinweis, ob ich bitte einen Kollegen anlernen könne. Das habe ich dann auch gemacht. Und ich bin ja auch nicht ganz aus der Welt.

SZ: Hauptberuflich werden Sie sich jetzt aber um andere Dinge kümmern. Schon eine Idee, welches Projekt Sie als erstes angehen wollen?

Augustin: Wir wollen als Allererstes die Geschäftsordnung des Landtags ändern, um unsere Vorstellung von Transparenz einzubringen. Das ist ein Punkt, wo wir als Opposition mit ansetzen können.

SZ: Was schwebt Ihnen da konkret vor?

Augustin: Eine erste Maßnahme wäre, die Ausschüsse per Livestream ins Internet zu bringen. Aus dem Plenarsaal wird ja schon jetzt häufig übertragen. Aber viel Arbeit passiert in den Ausschüssen, und von dort bekommt man als Bürger häufig gar nichts mit. Wir werden versuchen, das zu ändern.

SZ: Wie werden die anderen Parteien im Landtag auf die Piraten reagieren?

Augustin: Es gibt große programmatische Unterschiede, vor allem zur CDU. Aber zu einzelnen Abgeordneten der anderen Parteien werden wir sicher einen guten Draht bekommen. Und die werden die Ideen in ihre Fraktion tragen. So können wir konstruktiv zusammenarbeiten. Erste Kontakte gibt es auch schon: Ulrich Commerçon von der SPD kenne ich beispielsweise vom Twitter-Stammtisch. Und Frau Kramp-Karrenbauer hat sich im Wahlkampf uns gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt.

SZ: Sie werden im Landtag wohl in die Räume der FDP einziehen, die künftig nicht mehr im Landtag vertreten sein wird. So war es auch schon bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Sind die Piraten die neuen Liberalen?

Augustin: Ja, auf jeden Fall. Die FDP war mal liberal, ist jetzt neoliberal. Die Leute wollen aber das klassisch Liberale, und das sind wir.

SZ: FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat angekündigt, die Piraten künftig stärker angreifen zu wollen. Hat sich das für Sie schon bemerkbar gemacht?

Augustin: Dem Spitzenkandidaten Oliver Luksic bin ich kurz begegnet, aber miteinander gesprochen haben wir nicht. Und eine Dame aus der FDP erzählte mir, es gebe für sie jetzt wohl keine Stelle mehr, deshalb wolle sie nach Hessen auswandern. Von einem Angriff kann ich aber nichts berichten.

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