Lehren aus der Saarland-Wahl:Warum die Piraten der Kanzlerin helfen

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Neben der Linkspartei jetzt auch noch die Piraten? Angela Merkel dürfte sich freuen: Je mehr linksgerichtete Parteien es gibt, mit denen die SPD nicht regieren will, umso leichter kann die Kanzlerin ihre Macht erhalten. Bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr könnte es ganz ähnlich laufen.

Nico Fried

Eine Frau mit Amtsbonus gewinnt eine Wahl. Sie regiert weiter, obwohl sie keine Mehrheit im eigenen Lager hat. Ihr wichtigster Gegenkandidat vor der Wahl überlässt ihr nach der Wahl die Macht. Ja, die Parallelen, die sich aus dem Sonntag im Saarland zu einem möglichen Szenario im Bund 2013 ziehen lassen, sind so überdeutlich, dass man sich die Augen mit Knetmasse verkleben müsste, um sie nicht zu sehen. Angela Merkel ist dann quasi Frau Kramp-Karrenbauer im Quadrat, aber mit kürzerem Namen. Und Heiko Maas ist das Vorbild für die ewigen sozialdemokratischen Großkoalitionäre mit den längeren Nachnamen, die alle mit Stein anfangen.

Jetzt mal halblang. Das Saarland verhält sich größenmäßig zum Bund in etwa wie das saarländische FDP-Ergebnis zu den Resultaten der restlichen Parteien. Über die Liberalen lacht man - und das Saarland nimmt man ernst? In sechs Wochen wird in Schleswig-Holstein gewählt und eine Woche später in Nordrhein-Westfalen. Wenn SPD und Grüne, was die Umfragen derzeit hergeben, beide Wahlen gewinnen - ist das dann nicht viel eher ein Signal für 2013, das wie ein Fanfarenstoß erschallt und gegen das die große Koalition im Saarland höchstens wie das Fiepen einer Blockflöte klingt?

Tja, die Umfragen. Es gab mal eine Bundestagswahl 2005, da schworen sich viele, nicht mehr so viel auf die Umfraggen zu geben. Lang, lang ist's her. Im Saarland war jetzt dauernd von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede - und am Ende lag Annegret Kramp-Karrenbauer fast fünf Prozent vor Heiko Maas, weshalb Letzterer nun auch, streng politisch gesehen, einen Kopf kürzer ist. Deshalb kann man vielleicht für alle Landtagswahlen in diesem Jahr nur eines einigermaßen gefahrlos vorhersagen: eine CDU ohne Mehrheit nämlich, egal ob mit oder ohne liberales Anhängsel. Selbst wenn der freidemokratische Popeye Christian Lindner genug Spinat isst, um die FDP noch in den Düsseldorfer Landtag zu hieven, ist eine schwarz-gelbe Mehrheit ziemlich unwahrscheinlich. Gleiches gilt für Kiel.

Die CDU regiert also nur, wenn sich aus dem Lager links der Mitte jemand herüberziehen lässt - so wie im Saarland. Das wiederum geschieht nur, wenn es für Rot-Grün nicht reicht, weil die Linke oder die Piraten oder alle beide mit im Parlament sitzen, die SPD mit denen aber nicht regieren will. Das heißt: Die Chancen der CDU zu regieren, wachsen mit der Zahl der im weitesten Sinne linken Parteien im Parlament. Ein Paradoxon der Machtverteilung.

In gewisser Weise ist das gar nichts Neues. Je multipler das linke Lager, desto geringer seine politische Schlagkraft. Man muss dafür gar nicht bis in die Weimarer Republik zurück. In den achtziger Jahren zum Beispiel, als die SPD einen grünen Ableger erhielt, verloren die Sozialdemokraten das Kanzleramt. Als unter Rot-Grün die Linkspartei erstarkte, verlor Gerhard Schröder das Kanzleramt. Jetzt kommen die Piraten dazu, die sich vermutlich nicht so ohne weiteres links einordnen wollen, es aber zweifelsfrei bei allen Themen sind, die nichts mit dem Internet zu tun haben: vom bedingungslosen Grundeinkommen bis zu Freifahrscheinen im öffentlichen Nahverkehr. Viel wichtiger aber ist, dass die Piraten Rot-Grün entscheidende Stimmen kosten können - Schwarz-Gelb ist seine Mehrheiten ja auch ohne die Piraten los.

Die SPD führt also ein linkes Lager an, das stets Gefahr läuft, eine Mehrheit zu haben, die es nicht nutzbar machen kann. Schon in Kiel und Düsseldorf wackeln rot-grüne Hoffnungen, falls die Piraten in den Landtag kommen, von einem Einzug der Linken ganz zu schweigen. Dass die Piraten kein städtisches Phänomen sind, hat sich nun erwiesen. Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werden deshalb vor allem eine Antwort auf die Frage geben, ob die Piraten nur dann erfolgreich sind, wenn die Wahl schon vor der Wahl entschieden ist. So war es in Berlin, wo der Sieg von Klaus Wowereit als sicher galt. So war es im Saarland, der ersten Wahl in Deutschland, bei der zuerst eine große Koalition beschlossen und dann gewählt wurde.

Eine Zersplitterung der Parteienlandschaft käme im Bund jedenfalls nur einer entgegen: der Kanzlerin. Divide et impera. Deshalb erscheint es für die CDU sogar zweckmäßig, einen konservativen Ordnungsrahmen gegen die scheinbare Regelungsfreiheit im Netz zu setzen. Das gefällt den eigenen Leuten - und ist glaubwürdiger, als die Mischung aus Distanz und Anschmeiße, die von den anderen Parteien zu erwarten ist.

Angela Merkel ist wider alle Erwartungen Regierungschefin geworden. Merkel hat wider viele Erwartungen eine Wiederwahl und eine Koalition mit der FDP geschafft. Merkel muss 2013 nichts mehr beweisen und keinen politischen Schönheitspreis gewinnen. Sie muss nur gewinnen. Wenn die Union im Bund 2013 stärkste Partei wird, findet sich schon ein Koalitionspartner. Und wenn Annegret Kramp-Karrenbauer nach nicht einmal einem Jahr als Regierungschefin in Saarbrücken schon einen Amtsbonus vorzuweisen hat, wie groß wird dieser Bonus dann nach acht Jahren erst für die Kanzlerin in Berlin sein? Insofern ist es derzeit am wahrscheinlichsten, dass wir 2013 plötzlich alle Saarländer sind.

© SZ vom 27.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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