Empörung in der Türkei über TV-Werbung:Shampoo-Hersteller stoppt Spot mit Hitler

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"Echte Männer benutzen Biomen" brüllt Adolf Hitler auf Türkisch: Ein Shampoo-Hersteller warb mit dem Diktator und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Der Protest zeigt nun Wirkung: Die Werbeagentur stoppte den Spot.

Kai Strittmatter, Istanbul

Der Spot dauert genau dreizehn Sekunden. Adolf Hitler ist zu sehen, von unten, am Rednerpult, wild gestikulierend. "Du trägst doch auch keine Frauenkleider. Also benütz' auch kein Frauenshampoo", brüllt der aufgebrachte Hitler. Auf Türkisch. "Wenn du ein Mann bist, nimm 'Biomen'." Eine schwarze Shampooflasche fällt ins Bild. "Echte Männer benutzen 'Biomen'."

Es ist nicht das erste Mal, dass Filmer Hitler in alten Aufnahmen neuen Text in den Mund legen. Vor sechs Jahren montierte ein Bremer Filmstudent für eine Seminararbeit die Tonspur von Gerhard Polts "Leasingvertrag" über ähnliches Bildmaterial eines vor Publikum tobenden Hitlers - der Clip wurde ein Youtube-Hit. Die Netzgemeinde lachte, und weil die Polt'sche Standpauke gegen den Autohändler Ismaier und seine verbrecherischen Leasingraten den Gestus des Führers vollends ins Lächerliche zog, tat sie das ohne schlechtes Gewissen.

Die türkische Shampoomarke und die Werbeagentur hinter dem Spot aber wollten mit Hitler Geld verdienen und verkauften ihn dazu als Prototypen der Männlichkeit. Nun ernten sie Entrüstung. "Verkommen", urteilte das Massenblatt Hürriyet. "Faschistisch, sexistisch, vergiftet", schrieb die Zeitung Radikal.

Die jüdische Gemeinde fordert die Abschaltung des Spots

Entsetzt reagierte vor allem die jüdische Gemeinde der Türkei. Oberrabbiner Ishak Haleva sprach von einer "perversen Geisteshaltung". Den Mann zum Werbestar zu machen, der "das herausragendste Beispiel von Barbarei" abgegeben habe, sei "jenseits aller Moral". Die jüdische Gemeinde fordert eine Entschuldigung und die Abschaltung des Werbespots.

Die Stimmen der Debatte - vor allem auf Twitter - schlagen sich fast ausnahmslos auf die Seite des Protestes. "Die beste Strafe wäre ja, die Marke schlicht zu ignorieren", schrieb einer. "Lieber schütte ich mir Schwefelsäure in die Haare als euer Shampoo", ein anderer. "Wir sollen uns mit ihrem Shampoo die Haare waschen", schrieb der Kolumnist der Hürriyet am Montag. "Und wer wäscht den Dreck weg, den dieses Shampoo verursacht?"

Der Protest zeigt nun Wirkung: Die zuständige Werbeagentur stoppte den Spot. Er werde nicht mehr gezeigt, bestätigte das Instanbuler Unternehmen Marka. Auch von der Webseite der Agentur ist der TV-Spot mittlerweile verschwunden.

Allein in der türkischen Hauptstadt leben 20.000 Juden, die meisten davon Abkömmlinge jener spanischen Juden, die 1492 vor der katholischen Inquisition aus Spanien flohen und beim osmanischen Sultan Asyl fanden. 2005 war die Gemeinde schon einmal öffentlich Sturm gelaufen, damals war Hitlers "Mein Kampf" in einer türkischen Raubkopie zum Bestseller geworden.

© SZ vom 27.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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