Szene-Kolumne:Kult am nördlichen Stadtrand

Alle, die ständig jammern, München hätte immer nur die gleichen geleckten Läden zu bieten, brauchen nur einmal ihre gentrifizierten Innenstadt-Viertel verlassen. In der Baracke eines ehemaligen Luftwaffenlazaretts befindet sich Münchens coolste Bühne - und das schon lange.

Beate Wild

In diese Gegend verirren sich nicht viele Menschen. Die Anreise ist lang und beschwerlich. Kommt man nach Einbruch der Dunkelheit an, hat man Schwierigkeiten, sich zu orientieren, da es kaum Beleuchtung gibt. Die flachen Baracken liegen gottverloren in der Finsternis. Auf der Suche nach dem richtigen Weg, stößt man auf ominöse Schilder, auf denen Accordeon-Club Nord-Ost, Bayerische Volksbühne Watzmann oder Texas Boys München steht. Und dann hört man plötzlich die Musik.

Kafe Kult

Kafe Kult: Bunte Bilder an den Toilettenwänden.

(Foto: Beate Wild)

Willkommen im Kafe Kult. Am nördlichen Stadtrand, in der Oberföhringer Straße 156, steht Münchens außergewöhnlichste Bühne. Obwohl in den Baracken des ehemaligen Luftwaffenlazaretts schon seit 1988 Konzerte stattfinden, ist der Ort nur wenigen bekannt. Kein Wunder, der Weg ins Kult ist eine kleine Weltreise. Entweder man nimmt eine mittellange Radltour durch die einsame Nacht auf sich oder man quält sich mit dem einzigen Bus in die Peripherie. Doch es lohnt sich jedes Mal.

Auf dem Programm stehen kleine Indie-Bands, die durchaus zu einem späteren Zeitpunkt noch ganz groß werden könnten. Hier haben schon Bad Religion, Green Day und The Notwist gespielt. Das Kult ist zwischen anderen Baracken angesiedelt, die von Vereinen wie den oben genannten Texas Boys angemietet sind. Im Inneren trifft man auf Kurioses: ein Heiligenbild, eine Dichterstatue, Musikinstrumente und eine beträchtliche Sammlung mit alten Platten, darüber hängt das Foto eines Mannes im Jesus-Look mit dem Hinweis: "Bei Kaufinteresse den da suchen." Die Beleuchtung ist schummrig, das Publikum weit weg vom Mainstream.

Wer also noch einmal jammert, München hätte immer nur die gleichen geleckten Läden zu bieten, muss nur einmal die gentrifizierten Innenstadt-Viertel verlassen. Da muss man nicht nach Berlin, der nördliche Stadtrand tut es auch schon.

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