Sparbuch vs. Tagesgeld:Verschenktes Geld

Armselig verzinst und doch sehr beliebt: Die Deutschen sammeln wieder mehr Geld auf dem klassischen Sparbuch. Doch diese Treue hat ihren Preis - den Sparbuch-Liebhabern entgehen Zinseinnahmen in Milliardenhöhe. Dabei lassen sich ganz einfach weit höhere Zinsen erzielen.

Thomas Öchsner

Die Deutschen lieben ihr gutes altes Sparbuch. An dem Klassiker der Geldanlage halten sie fest - nicht wenige länger als an ihrem Ehepartner. Die Treue hat jedoch ihren Preis: Wer sein Erspartes auf dem Sparbuch schlummern lässt, verzichtet Jahr für Jahr auf deutlich höhere Zinseinnahmen.

Weltspartag am 30.Oktober 2009

Die Deutschen nutzen das klassische Sparbuch wieder mehr, verzichten dabei aber Jahr für Jahr auf deutlich höhere Zinseinnahmen.

(Foto: dpa)

Um wie viel Geld es dabei geht, zeigt jetzt erstmals ein Zehn-Jahres-Vergleich: Demnach haben Sparbuch-Liebhaber seit Anfang 2002 bis Ende 2011 auf Zinseinnahmen von mehr als zehn Milliarden-Euro verzichtet, weil sie ihr Geld nicht vom Sparbuch abgehoben und auf ein höher verzinstes Tagesgeldkonto übertragen haben. Dies belegt eine neue Studie des Düsseldorfer Finanzexperten Udo Keßler, die sich auf Daten der Deutschen Bundesbank und der FMH-Finanzberatung in Frankfurt stützt und die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach hätte bei einem Anlagebetrag von 10.000 Euro ein Wechsel vom durchschnittlich verzinsten Sparbuch auf ein täglich verfügbares Konto mit durchschnittlicher Verzinsung binnen zehn Jahren immerhin 1137 Euro zusätzlich an Zinsen und Zinseszinsen gebracht.

Bei den Sparkassen und Banken hat das Tradition: Die Kreditinstitute verzinsen das Sparbuch mit der üblichen dreimonatigen Kündigungsfrist recht mickrig. Ende März gab es dafür nach Angaben der FMH-Finanzberatung im Durchschnitt gerade einmal 0,62 Prozent. Etwas höher ist der Zinssatz im Schnitt der vergangenen zehn Jahre: Laut der Untersuchung lag er zwischen Anfang 2002 und Ende 2011 bei 0,99 Prozent pro Jahr. Trotzdem sammeln die Bundesbürger auf den klassischen Sparbüchern ohne Sondersparformen wieder mehr Geld. Derzeit belaufen sich die Guthaben dort laut Bundesbank auf 102,7 Milliarden Euro; Anfang 2009 waren es 80,8 Milliarden. Dabei stört die Anleger offenbar auch nicht, dass das Sparbuch im Vergleich zum Tagesgeldkonto eher unflexibel ist. So kann der Kunde pro Kalendermonat nur maximal 2000 Euro abheben. Höhere Beträge zahlen Bank oder Sparkasse nur dann ohne Abzüge (Vorschusszinsen) aus, wenn der Sparer die gewünschte Summe drei Monate vorher gekündigt hat.

Geldinstitute buhlen mit besonders hohen Zinsen um Neukunden

Bei Tagesgeldkonten können die Anleger dagegen von heute auf morgen über das gesamte Geld verfügen. Und sie können in der Regel mit einem weitaus höheren Zins rechnen, wie die Studie zeigt: Er beläuft sich nach Daten der FMH-Finanzberatung auf 1,98 Prozent pro Jahr. Das ist exakt doppelt so hoch wie beim klassischen Sparbuch.

Dieser Vorteil summiert sich in den zehn Jahren auf 10,6 Milliarden Euro - wenn man berücksichtigt, wie viel Geld jeweils am Jahresanfang gemäß den Monatsberichten der Bundesbank auf den Sparbüchern lag. "Dabei sind die Zinseszinsen nicht einmal eingerechnet", sagt Studienautor Keßler. Am größten war nach seinen Berechnungen der Unterschied im Jahr 2008: Fast zwei Milliarden Euro hätten Sparbuch-Besitzer mehr an Zinsen kassieren können. Denn die Guthaben auf den Tagesgeldkonten brachten im Durchschnitt 3,21 Prozent - das Geld auf dem Sparbuch dagegen nur magere 1,07 Prozent.

Wenn es darum geht, Tagesgeld neu anzulegen, stehen viele Bankkunden allerdings vor einem Problem: Die Geldinstitute buhlen oft mit besonders hohen Zinsen um Neukunden, die es meist nur für einen bestimmten Zeitraum gibt. Ob die Zinsen danach weiter sehr gut ausfallen, ist ungewiss. Die FMH-Finanzberatung untersuchte deshalb in Keßlers Auftrag, welche Geldhäuser kontinuierlich mehr Tagesgeldzinsen gutschreiben als der Durchschnitt. Dazu zählten in den vergangenen zehn Jahren die 1822direkt der Frankfurter Sparkasse, die Netbank, die Santander Consumer Bank (früher CC-Bank), die SKG-Bank, der Marktführer ING-DiBa sowie drei Autobanken (von BMW, Volkswagen und Mercedes-Benz). Spitzenreiter im Zehnjahresschnitt war das Tochter-Institut der Frankfurter Sparkasse.

Experte Keßler rechnet in seiner Studie vor, was ein Wechsel zu einem der Top-Anbieter gebracht hätte. Das Ergebnis: Bei einem Anfangsguthaben von 10 000 Euro wäre innerhalb der untersuchten zehn Jahre noch einmal zusätzlich ein Tausender herausgesprungen. Das gilt zumindest für 1822direkt. Bei dieser Direktbank beläuft sich der Endbetrag auf 13.158 Euro - ein Plus von mehr als 2000 Euro verglichen mit dem Durchschnitts-Sparbuch und 989 Euro gegenüber dem Tagesgeldschnitt. In die Berechnung des Düsseldorfer Finanzexperten flossen dabei die Zinssätze für Bestandskunden ein. "Ein aufwendiges Tagesgeld-Hopping zum jeweils besten Anbieter war also gar nicht nötig", sagt er. Manchmal hat es sich jedoch ausgezahlt, das Geld auf ein neu eingerichtetes, höher verzinstes Tagesgeld-Konto derselben Bank zu übertragen.

Trotzdem vermutet Keßler, dass auch in Zukunft Millionen Sparer Milliarden auf dem Klassiker der Geldanlage liegen lassen. "Viele Anleger", fürchtet er, "werden dem Sparbuch selbst dann noch treu bleiben, wenn Banken gar keine Zinsen mehr zahlen."

Geldanlage-Rechner bei Süddeutsche.de: Welche Bank die höchsten Zinsen bei Tagesgeld, Festgeld und Sparbriefen bieten.

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