Diözese verzichtet auf Abriss:Zweiter Neustart in Waldram

Früher begann für Displaced Persons hier eine neue Zeitrechnung, nun soll das historische Ensemble selbst umgebaut werden. Doch es sind noch einige Fragen ungeklärt.

Bernhard Lohr

Es trifft keine Unvorbereiteten. Der Historische Verein hat sich seit einiger Zeit mit der Möglichkeit befasst, eine Dokumentationsstätte für das Lager Föhrenwald in Waldram einzurichten. Auch in der Siedlergemeinschaft gibt es spätestens seit der 50-Jahr-Feier von Waldram ein Bewusstsein dafür, in einem alles andere als gewöhnlichen Ort zu leben. Derzeit zeigt das Jüdische Museum in München eine Ausstellung über das Lager Föhrenwald, das für viele Überlebende des Naziterrors Symbol für den Neuanfang geworden ist. Dennoch streicht die Vorsitzende des Historischen Vereins, Sybille Krafft, immer wieder heraus, vor welcher Herausforderung man jetzt stehe. Auf die Unterstützung der Siedler kann sie jedenfalls zählen.

Es soll ein Förderverein gegründet werden, der die Dokumentationsstätte einrichtet und betreibt: Krafft signalisiert nach der Einigung vom Donnerstag Bereitschaft, das federführend anzugehen. "Es ist ein sehr mutiger Schritt", sagt sie aber auch und mag nicht den Begriff vom Dokumentationszentrum, weil das zu großspurig und überambitioniert klingt. Der Verein bestehe schließlich aus Ehrenamtlichen, sagt sie, und man begebe sich auf Neuland. Krafft spricht deshalb auch davon, die Gründung des Vereins "mit Bedacht" anzugehen. Für die Ausgestaltung der Dokumentationsstätte selbst habe man viele Ideen. So gebe es Überlegungen, Elemente aus der Ausstellung in München zu übernehmen. Es sollte ein Café geben, um das ehemalige Badehaus auch zu einem Ort der Begegnung mit Aufenthaltsqualität zu machen. Von einem fertigen Konzept allerdings sei man weit entfernt. Was Krafft derzeit sowieso mehr beschäftigt als solche Fragen, ist die Sanierung des Gebäudes selbst. "Das ist nicht nur Weißeln." Das unbewohnte und heruntergekommene Gebäude muss saniert werden. Die Stadt wird, so denn die Stadträte dem zustimmen, mit einem "wesentlichen" Betrag beispringen. Doch das wird nicht reichen. "Wir werden einen langen Atem brauchen."

Für den Vorsitzenden der Siedlergemeinschaft Waldram, Wolfgang Saal, ist mit der Zusage, das historische Zentrum am Kolpingplatz zu erhalten, ein alter Wunsch in Erfüllung gegangen. Bereits zur 50-Jahr-Feier Waldrams im Jahr 2007 rief er dazu auf, darauf zu achten, "dass die historischen Strukturen Waldrams erkennbar bleiben", und er hatte dabei genau die beiden Gebäude im Blick, um die es jetzt geht. "Wir fühlen uns natürlich angesprochen", sagt Saal mit Blick darauf, wie es weitergehen soll. Unter den Mitgliedern sei die Bereitschaft groß, sich einzubringen und eventuell auch "Hand anzulegen", wenn es gilt, die Gebäude herzurichten. Die Resonanz im Verein, aber auch aus anderen Teilen Wolfratshausens mache ihm Mut. Das Projekt könne dazu führen, dass der Ortsteil Waldram und die Stadt wieder näher zusammenwüchsen, sagt Saal. Die Dokumentationsstätte mit Ausstellungsmöglichkeiten sei für die gesamte Stadt ein Gewinn. Darüber, dass sich für die Waldramer selbst nun die Chance auftun könnte, Räume für Vereine zu finden und das Zentrum für sich stärker zu nutzen, will Saal gar nicht groß reden. Es gebe viele Ideen, man dürfe aber nichts überstürzen. Freilich werde man "intensiv diskutieren", was man "noch für Waldram tun kann".

Sybille Krafft ist als profilierte Journalistin beim Bayerischen Rundfunk, die sich seit Jahren zeitgeschichtlichen Themen zuwendet, bestens vernetzt. Das könnte jetzt helfen, dem Projekt in Waldram, das auch überregional von Interesse ist, zusätzliche Unterstützer zu verschaffen. Es gibt über die Welt verteilt ein Netzwerk von Menschen, für die das Displaced-Persons-Lager Föhrenwald eine markante Station auf ihrem Lebensweg war. Schon jetzt kommen immer wieder ehemalige "Föhrenwaldler", wie Kulturreferent Ludwig Gollwitzer sagt, nach Waldram, um nach Spuren der Vergangenheit zu suchen. Über die Familie Salamander etwa, die die Buchhandlung im Jüdischen Museum in München führt, steht Krafft mit diesen in Kontakt. Es werde darum gehen, überregional Verbündete für das Projekt zu finden, sagt Krafft. "Es ist wichtig, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen." Zu den Händen, die anpackten, müssten auch Spender kommen, die einen finanziellen Beitrag leisteten. Bislang habe man ein "Zwischenergebnis" erzielt, mehr aber nicht.

Inhaltlich hat der Arbeitskreis, der sich um die in Waldram lebend Gymnasiallehrerin Eva Greif gebildet hat, viel Vorarbeit für ein Dokumentationszentrum geleistet. Greif kam aus eigener Betroffenheit dazu, sich mit der Geschichte der Siedlung zu befassen. Als sie realisierte, dass sie im ehemaligen Schulhaus des Lagers lebte, begann sie nachzuforschen und gründete im 2007 mit Bekannten den Arbeitskreis Föhrenwald, der mittlerweile dem Historischen Verein angeschlossen ist. Die Geschichtslehrerin Greif arbeitet etwa mit Schülern an einem Projektseminar daran, wie eine Ausstellung über jüdische Überlebende aus Waldram konzeptioniert werden könnte. Die gesammelten Erfahrungen könnten noch einmal hilfreich sein. (Interview)

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