Gesundheitspolitik:Die Zoff-Pauschale

Der neue Gesundheitsminister Philipp Rösler sorgt für Hochstimmung unter Lobbyisten. Aber die Kopfpauschale spaltet die neue Regierung. Sie könnte zum politischen Albtraum werden.

Guido Bohsem

So viel Zufriedenheit war selten. Ärzte, Zahnärzte, Privatversicherungen, Apotheker , Pharmaindustrie und Kliniken - nahezu jeder Akteur lobt den Koalitionsvertrag zwischen FDP und Union.

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Ärger droht der neuen Koalition in der Gesundheitspolitik: Der künftige Außenminister Guido Westerwelle, Kanzlerin Angela Merkel und der künftige Gesundheitsminister Philipp Rösler:

(Foto: Foto: dpa)

Die Herzen der Mediziner und Pharmazeuten schlagen schon deshalb höher, weil mit Minister Philipp Rösler und Staatssekretär Daniel Bahr zwei Liberale in das Gesundheitsministerium einziehen werden, in dem traditionell nur Sozialdemokraten sitzen, auch wenn manche davon einer anderen Partei angehören.

Nicht nur der Personalwechsel sorgt für Hochstimmung unter den Lobbyisten. Auch die Ziele der neuen Regierung lassen die Stimmung steigen. An vielen Stellen liest sich dieser unglaublich detailversessene Koalitionsvertrag wie eine Wünsch-dir-was-Liste. Die von den Regierenden in spe angekündigten Zumutungen beschränken sich auf die Formulierung, überflüssige Ausgaben streichen zu wollen. Wer will das nicht.

Wer aber soll die mit diesen Versprechen verbundenen Kosten bezahlen? Wie sollen die gesetzlichen Krankenkassen in Zukunft finanziert werden? Diese Fragen werden wohl die ganze Legislaturperiode beherrschen, im Arbeitsprogramm der Koalition aber finden sich keine eindeutigen Antworten.

Friseurin und Abteilungsleiter zahlen dasselbe

Sicher, die Arbeitgeber sollen nicht weiter belastet werden und es wird auch eine Art Kopfpauschale geben, bei der ein Abteilungsleiter das gleiche an seine Krankenkasse zahlt wie seine Friseurin und seine Putzfrau. Doch das sind nicht mehr als Überschriften.

Was sich gut anhört, könnte im Detail zu einem finanziellen, bürokratischen und politischen Albtraum geraten. Damit besagte Friseurin oder Putzfrau nicht benachteiligt wird, müsste ein sozialer Ausgleich her, der sich auf mehr als 20 Milliarden Euro belaufen dürfte - zahlbar aus Steuern, welche die Koalition ja eigentlich senken will.

Kompliziert wird es, weil der Ausgleich vom Einkommen abhängig ist und deshalb für jedes Kassenmitglied einzeln berechnet werden müsste. Möglich ist das, aber im Vergleich dazu wird der von der FDP als "bürokratisches Monster" betitelte Gesundheitsfonds aussehen wie ein harmloses Quietsch-Entchen.

Schließlich wird die Kopfpauschale für erheblichen Zoff zwischen den Koalitionären sorgen. Angefangen hat der schon, bevor das Vertragswerk überhaupt unterzeichnet war. Da steht die CSU im Bündnis mit dem sozialen Flügel der CDU gegen die FDP und den Marktwirtschaftlern der CDU; das Ministerium gegen die Fraktion, gegen Bayern und gegen Nordrhein-Westfalen.

Eher wird SPD-Chef Sigmar Gabriel Kanzler als dass die zur Streitlösung eingesetzte Kommission zu einem Ergebnis kommt. Dafür hat der langjährige Kopfpauschalen-Feind und CSU-Chef Horst Seehofer bereits gesorgt. Er selbst formulierte die Passage zur Kopfpauschale im Koalitionsvertrag, sagt er. Das gelang ihm so trickreich, dass jeder Versuch, im Rahmen dieser Vorgaben zu einer Einigung zu kommen, zum Scheitern verurteilt ist.

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