Günter Grass reagiert auf Israels Einreiseverbot:"Wie bei Minister Mielke"

Günter Grass hat sich erstmals kritisch über das Einreiseverbot geäußert, das die israelische Regierung gegen ihn verhängt hat. In einem kurzen Text mit der Überschrift "Damals wie heute - meine Antwort auf jüngste Beschlüsse" beschreibt der Schriftsteller, dass ihm bisher zweimal die Einreise in ein Land verwehrt worden sei: in die DDR und Ende der achtziger Jahre nach Birma.

Günter Grass hatte in seinem jüngst veröffentlichten Gedicht "Was gesagt werden muss" Israel vorgeworfen, den Weltfrieden zu gefährden, indem die Atomacht Iran mit einem "Erstschlag" bedrohe. Israels Innenminister Eli Jischai hatte den Dichter daraufhin zur unerwünschten Person erklärt, da er versuche, "Hass gegen den Staat Israel und das israelische Volk zu schüren". Erstmals äußert sich Grass in der SZ in dem kurzen Text "Damals wie heute - Meine Antwort auf jüngste Beschlüsse" über das gegen ihn verhängte Einreiseverbot.

Damals wie heute - Meine Antwort auf jüngste Beschlüsse

Dreimal wurde mir die Einreise in ein Land verboten. Die Deutsche Demokratische Republik, kurz DDR genannt, machte auf Geheiß des Ministers für Staatssicherheit, namens Mielke, den Anfang. Und er ist es gewesen, der Jahre später das Verbot zurücknahm, jedoch für die zu erwartenden Einreisen der "als zersetzendes Element" eingestuften Person verstärkte Observierung angeordnet hat.

Als meine Frau und ich im Jahr 1986 mehrere Monate lang in der westbengalischen Hauptstadt Calcutta lebten, wurde uns mit der Begründung "unerwünscht" die Einreise nach Birma verweigert. In beiden Fällen wurde die in Diktaturen übliche Praxis vollzogen.

Jetzt ist es der Innenminister einer Demokratie, des Staates Israel, der mich mit einem Einreiseverbot bestraft und dessen Begründung für die von ihm verhängte Zwangsmaßnahme - dem Tonfall nach - an das Verdikt des Ministers Mielke erinnert. Dennoch wird er mich nicht daran hindern können, meine mir hilfreichen Erinnerungen an mehrere Reisen nach Israel wachzuhalten.

Immer noch ist mir die Stille der Judäischen Wüste gegenwärtig. Immer noch sehe ich mich dem Land Israel unkündbar verbunden. Immer noch befinde ich mich im Gespräch mit Erwin Lichtenstein, dem letzten Syndikus der jüdischen Gemeinde meiner Heimatstadt Danzig. Und immer noch sind mir die endlos nächtlichen Dispute mit Freunden im Ohr. Sie stritten sich (nach siegreichem Krieg) über die Zukunft ihres Landes als Besatzungsmacht, waren aber auch voller Sorge, die sich vierzig Jahre später zu einer bedrohlichen Gefahr ausgewachsen hat.

Die DDR gibt es nicht mehr. Aber als Atommacht von unkontrolliertem Ausmaß begreift sich die israelische Regierung als eigenmächtig und ist bislang keiner Ermahnung zugänglich. - Allein Birma lässt kleine Hoffnung keimen.

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