Frust am Arbeitsplatz:Warum Mitarbeiter innerlich kündigen

Der Job sichert den Lebensunterhalt - nicht mehr und nicht weniger. So sehen viele Beschäftigte in Deutschland ihren Arbeitsplatz, ein Viertel hat sogar innerlich schon gekündigt. Nur in einem Land ist der Wert noch schlechter.

Sibylle Haas

Keine Lust ins Büro zu gehen? Genervt von den Kollegen? Den Chef am liebsten rausschmeißen, wenn man könnte? Jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland hat innerlich gekündigt, fand kürzlich das Beratungsunternehmen Gallup heraus. Nun ermittelten die Markt- und Meinungsforscher von Ipsos auch noch, dass den meisten Mitarbeitern der Job fast egal ist.

Dass er lediglich dazu dient, das Leben zu finanzieren und dass er im Grunde eine reine Routinesache ist. Nur jeder zehnte Mitarbeiter in deutschen Firmen, so Ipsos, ist echt stolz auf seine Arbeit und identifiziert sich mit seinem Arbeitgeber. Nur in Italien ist dieser Wert noch schlechter (acht Prozent). Online befragt wurden Beschäftigte in Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien, Italien und Großbritannien.

Doch wer innerlich gekündigt hat oder, wie Personaler sagen, "keine emotionale Bindung an seinen Arbeitgeber hat", schiebt in der Regel "Dienst nach Vorschrift". Der deutschen Wirtschaft geht dadurch viel Geld verloren. Gallup beziffert den wirtschaftlichen Schaden auf jährlich bis zu 124 Milliarden Euro.

Die Ergebnisse sind alarmierend. Zumal, wie nun Ipsos weiter herausfand, deutsche Arbeitnehmer nicht per se Routinearbeiter sind. Sie sind motivierter als Beschäftigte in anderen Ländern und sie beurteilen ihre Zukunft sogar positiv. Hierzulande schätzen sich 62 Prozent der Befragten als "stabil motiviert" ein, unter den Führungskräften sind es sogar 71 Prozent.

"In einem schärferen Wettbewerb kann man aber nur bestehen, wenn alle Mitarbeiter hochmotiviert sind", sagt Christian Aubry, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Edenred. Das Geheimnis des Erfolgs stecke aber in der spürbaren Motivation aller Beschäftigter und nicht darin, dass die Besten noch mal zehn Prozent mehr leisten.

Was die berufliche Zukunft betrifft, sind deutsche Arbeitnehmer laut Ipsos sehr zuversichtlich: 80 Prozent schätzen den wirtschaftlichen Erfolg ihres Arbeitgebers positiv ein. Und fast die Hälfte der Befragten ist davon überzeugt, nach dem Verlust des Arbeitsplatzes schnell wieder einen neuen Job zu finden. In Spanien und Italien glauben dagegen nur 23 Prozent, dass sie schnell wieder in Lohn und Brot kommen - was angesichts der Wirtschaftskrise in den Ländern nicht erstaunlich ist.

Deutschland habe sich von der Wirtschaftskrise eben rasch erholt, besonders der Arbeitsmarkt sei stabil. "Die größte Herausforderung liegt nun darin, geeignete Fachkräfte für sich zu gewinnen und langfristig an den Arbeitgeber zu binden", meint Berater Aubry. Um das zu erreichen, müssen die Mitarbeiter mit Freude ins Büro gehen. Dabei lassen sich Arbeitnehmer nicht so sehr mit Geld zu Höchstleistungen anspornen, fand die Managementberatung Hay Group in einer Umfrage heraus. Wichtiger als das Gehalt sei ein kollegiales Arbeitsklima und ein sinnerfüllender Job. Zumal schlechtes Klima, unbefriedigende Arbeit und eine schlechte Führungskraft die häufigsten Gründe für einen Jobwechsel seien.

Immerhin: Die meisten deutschen Arbeitnehmer (59 Prozent) sind mit dem Geld, das ihnen im Alltag zur Verfügung steht, zufrieden. Briten, Belgier, Spanier, Franzosen und Italiener melden den Ipsos-Marktforschern viel niedrigere Werte. Sogar bei der Beurteilung der Qualität ihrer Arbeitsplätze führen die Deutschen die Zufriedenheitsskala an. Viele haben jedoch Angst, dass ihnen die Arbeit bald keine Zeit mehr zum Leben lässt. Diese Befürchtung habe, so Berater Aubry, seit 2008 deutlich zugenommen.

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