Innenministerium räumt falsche Auskunft ein:Muslim-Studie ging doch vorab an Boulevard-Blatt

Wurde eine Studie zu angeblich integrationsunwilligen jungen Muslimen vorab an die Bild-Zeitung weitergegeben? Nein, sagte Innenminister Friedrich im Fernsehen. Nein, sagte sein Staatssekretär im Bundestag. Ja, muss das Ministerium nun auf eine Anfrage der Linken zugeben. Die Opposition spricht schon vom "Lügenminister".

Roland Preuß

Das Bundesinnenministerium hat eingeräumt, den Bundestag im Zusammenhang mit der Vorab-Veröffentlichung einer Muslim-Studie im Frühjahr falsch informiert zu haben. Dies geht aus der Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Linken hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Linke forderte eine Erklärung und Entschuldigung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Innenminister Hans-Peter Friedrich

Sein Ministerium gab eine Studie zu jungen Muslimen vorab an die Boulevard-Presse: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bei der Islamkonferenz 2012.

(Foto: dapd)

Die Anfrage geht auf einen Presse-Bericht über radikale Muslime Ende Februar zurück. "Junge Muslime verweigern Integration", war auf bild.de zu lesen, der Artikel berief sich auf eine Studie, die schon lange im Bundesinnenministerium lag - und nun in der Redaktion des Blattes.

Der Artikel berichtet von angeblichen Massen von Integrationsverweigerern und Sympathien für den Islamismus unter jungen Muslimen, was nicht wirklich die Aussagen der 760-Seiten-Studie sind.

Autoren der Studie distanzierten sich und sprachen von Verzerrung. Die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika nahm Innenminister Hans-Peter Friedrichs Umgang mit der Studie zum Anlass, am Mittwoch ihren Austritt aus der Islam-Konferenz zu erklären.

Schnell kam der Verdacht auf, Friedrich habe die Studie lancieren lassen, doch er dementierte. "Also, diese Studie ist nicht aus meinem Haus herausgegeben worden", sagte er im ZDF. Später sagte Innenstaatssekretär Christoph Bergner im Bundestag: "Es hat keine öffentliche oder wie auch immer geartete Übergabe dieser Studie durch das Bundesinnenministerium an die Medien gegeben."

Studie angeblich nötig zur Vorbereitung eines Interviews

Nun musste das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf die Anfrage einräumen, dass dies eine Falschauskunft an die Abgeordneten war - kurz vor Beginn des diesjährigen Treffens der Deutschen Islamkonferenz am Donnerstag. In der Antwort schreibt das Ministerium, dass die Bild-Zeitung von der Pressestelle doch ein Vorabexemplar der Studie erhielt, angeblich zur Vorbereitung eines Interviews mit dem Minister.

Vorabexemplare werden vor der offiziellen Veröffentlichung verschickt. Weil das Ministerium die Studie am 1. März online stellte, muss es die Bild-Zeitung also früher erhalten haben. Bild.de hatte einen Tag zuvor, am 29. Februar, berichtet. Nach Darstellung des Ministerium wusste Friedrich davon nichts.

Die Initiatorin der Anfrage, Sevim Dagdelen (Linke), kritisierte Friedrich scharf und bezeichnete ihn als "Lügenminister". Er und Staatssekretär Bergner hätten den Bundestag getäuscht. Der Innenminister müsse sich bei den Studienautoren entschuldigen und gegenüber dem Parlament "dringend erklären".

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