Protestbrief an Ratingagentur:Dax-Konzerne rebellieren gegen Standard & Poor's

Es drohe eine "Verdopplung der Preise": Zwölf deutsche Großunternehmen werfen der amerikanischen Ratingagentur Standard & Poor's überzogene Gebühren und eine Ausnutzung ihrer Marktmacht vor. Regt sich erster Widerstand gegen das Oligopol der amerikanischen Agenturen?

Sie alle haben den Brief unterzeichnet: Bayer, Bertelsmann, Continental, Daimler, Deutsche Post, Eon, Henkel, Linde, Lufthansa, RWE, Siemens und VW - zwölf Großunternehmen. Es ist ein Protestbrief, in scharfen Worten formuliert. "Vollkommen inakzeptabel" seien die Pläne. "Auf eine Verdopplung der Preise, wenn nicht sogar mehr" laufe der Gebührenvorschlag hinaus, zitiert die Financial Times Deutschland aus dem Schreiben.

Die deutsche Wirtschaft rebelliert. Der Gegner ist die Ratingagentur Standard & Poor's, die angekündigt hatte, die Gebühren für ihre Bewertungen anzuheben. Für europäische Unternehmen steige der Preis im Schnitt um fünf Prozent, sagte ein Sprecher der FTD. Einigen Großkonzernen drohten aber "potentiell stärkere Erhöhungen".

Einige Großkonzerne zahlen laut FTD mittlere sechsstellige Gebühren im Jahr an Standard & Poor's. Die Unterzeichner des Briefs drohten nun mit "weiteren Maßnahmen", wenn die Agentur ihre Gebühren nicht auf dem Niveau der Vorjahre belasse.

Europäische Agentur kommt nicht zustande

Die Marktmacht der drei großen amerikanischen Ratingagenturen ist enorm: Standard & Poor's, Moody's und der deutlich kleinere Konkurrent Fitch kontrollieren etwa 95 Prozent des Marktes für Bewertungen. Alle Institutionen, die Wertpapiere und Anleihen ausgeben, also vor allem Banken, Unternehmen und Staaten, sind bis zu einem gewissen Grad abhängig von den Ratings, um am Markt günstig Kapital aufzunehmen.

Der Einfluss der Ratingagenturen ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Bis in die neunziger Jahre hinein haben die meisten Institute vor allem selbst bewertet. Erst mit der Deregulierung der Kapitalmärkte vor der Jahrtausendwende, als Finanzprodukte immer komplizierter und weiter entfernt von der Realwirtschaft funktionierten, wurden die Ratings zunehmend an Agenturen delegiert. Anstatt Investments zu meiden, die eigene Analysten nicht verstanden, schob die Finanzwirtschaft das komplexe Geschäft ab

Bestrebungen, dem Rating-Oligopol aus den USA eine europäische Alternative entgegenzusetzen, waren bislang nicht erfolgreich. So steht das Projekt der Unternehmensberatung Roland Berger auf der Kippe, weil keine 30 Investoren aus der Finanzbranche auffindbar waren, die je zehn Millionen Euro für das Stiftungsmodell beisteuern würden.

Auch eine Initiative der Bertelsmann Stiftung ist bisher nicht über das Stadium der Planung hinausgekommen. Sie hat gerade das Konzept für eine globale Non-Profit-Ratingagentur präsentiert, die ausschließlich Bonitätsrisiken von Staaten analysiert. Der Bertelsmann-Vorschlag sieht vor, die Ratingurteile dem Markt kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dazu braucht es allerdings 300 Millionen Euro, die bei Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und Förderern eingesammelt werden sollen.

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