Umstrittener Polizeizugriff in Rosenheim:Beamter verteidigt gewalttätigen Einsatz

Hat sich die Familie aus Schechen nur gegen aggressive Polizeibeamte verteidigt oder diese selbst angegriffen? Erstmals sagt ein am Einsatz beteiligter Beamter vor dem Amtsgericht Rosenheim aus: Erklären, warum die Lage eskalierte, kann er nicht so recht.

Hans Holzhaider

Im Prozess um einen gewalttätigen Polizeieinsatz in Schechen (Landkreis Rosenheim) hat am Freitag der erste der beteiligten Polizeibeamten als Zeuge ausgesagt. Der Polizeihauptmeister Thomas K. war einer der beiden Beamten, die am 15. November 2010 in dem Mehrfamilienhaus in Schechen nach einem Mann suchten, der zu einer psychiatrischen Untersuchung vorgeführt werden sollte.

Caption-Korrektur: Prozess um rabiaten Einsatz der Rosenheimer Polizei

Das Ehepaar E. aus Schechen ist wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt.

(Foto: dapd)

Weil sich der Name des Gesuchten nicht auf den Klingelschildern fand, fragten die Beamten bei den Nachbarn nach. Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den vier Personen, die jetzt vor dem Amtsgericht Rosenheim wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt sind.

Der Zeuge K. schilderte, wie er und sein Kollege an einer Wohnungstür klingelten und eine junge Frau ihnen erklärte, sie kenne den Gesuchten nicht. In diesem Augenblick habe sich die Tür der Nachbarwohnung geöffnet und eine Frau - die jetzige Angeklagte Sandra B. - habe mitgeteilt, der Gesuchte wohne nicht mehr hier, er sei ausgezogen, sie wisse nicht, wohin. Auf Nachfrage habe sie erklärt, es gebe auch keinen Nachmieter.

Verzögerungstaktik der Angeklagten

Dann, so der Zeuge, hätten sich "Gesichtsausdruck und Tonfall" der Frau "schlagartig geändert". Er und sein Kollege hätten den Verdacht gehabt, die Frau verheimliche etwas. Außerdem hätten sie bemerkt, dass sich in der Wohnung eine weitere Person befinde. "Das war verdächtig", sagte der Polizeibeamte. Er habe die Frau deshalb aufgefordert, sich auszuweisen.

Das habe sie abgelehnt und stattdessen verlangt, die Ausweise der Polizisten zu sehen. Dem Kollegen habe sie dessen Ausweis aus der Hand genommen und behauptet, sie könne nichts erkennen. "Das war augenscheinlich eine Verzögerungstaktik", sagte der Zeuge. Er habe deshalb per Funk drei Streifenbeamte hereingerufen, die schon in Bereitschaft standen.

Schließlich habe die Frau sich bereiterklärt, ihren Ausweis aus der Wohnung zu holen, und Anstalten gemacht, die Tür zu schließen. Das habe er verhindert, indem er einen Fuß in die Tür stellte. Sie sei ihm auf den Fuß getreten und habe versucht, ihn wegzuschieben. Schließlich sei "eine männliche Person" - es war der Ehemann Anton B., der auch angeklagt ist - dazugekommen und habe "herumgeschrien, was das soll".

Als die Frau mit dem Arm durch die halbgeöffnete Tür nach seinem Revers gegriffen habe, sei bei ihm "die Grenze erreicht" gewesen: "Ich habe sie herausgezogen und den anderen übergeben." Er selbst habe den Ehemann "in Zaum halten" müssen. Der habe ständig versucht, zu seiner Frau zu kommen, deshalb habe er ihn mit beiden Armen umklammert und gegen die Wand gedrückt. Dabei habe er den anderen immer den Rücken zugewandt. Er habe nur die schrillen Schreie der Frau gehört; ob sie geschlagen worden sei, habe er nicht sehen können.

"Nur ich mit dem Herr B. stand noch aufrecht"

Er habe dann noch mitbekommen, wie ein älterer Mann - Josef E., der Hausbesitzer und Vater von Sandra B., - dazukam und "versucht hat, die Kollegen anzugehen, die seine Tochter hatten". Mittlerweile waren weitere Polizisten dazugekommen, sodass schließlich zehn Beamtinnen und Beamte mit den vier Angeklagten beschäftigt waren. Irgendwann seien die anderen drei dann gefesselt am Boden gelegen, "nur ich mit dem Herrn B. stand noch aufrecht".

Bei der Befragung des Zeugen ging es vor allem darum, ob der Einsatz überhaupt rechtlich zulässig war. Rechtsanwalt Hartmut Wächtler hielt dem Zeugen eine im Internet verbreitete Empfehlung der Polizeiführung entgegen, wie sich Bürger verhalten sollten, wenn Unbekannte sich an der Wohnungstür als Polizisten ausgeben. Man solle die Ausweise genau prüfen, eventuell die Dienststelle anrufen und dabei auf jeden Fall die Tür geschlossen halten, heißt es da.

Von solchen Empfehlungen wisse er nichts, sagte der Zeuge. Wie er denn zu dem Verdacht gekommen sei, die Frau verheimliche ihm etwas, wollte Wächtler wissen. Sie habe doch von sich aus Auskunft erteilt. "Wer was zu verbergen hat, der legt entsprechende Verhaltensweisen an den Tag", antwortete der Zeuge. Ob es denn eine einzige Tatsache gebe, auf die sich der Verdacht gegründet habe, hakte der Anwalt nach. Die Antwort des Polizeibeamten: "Der Verdacht war da."

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