Nach Wunsch der Pharmaindustrie:Union will Medikamentenpreise geheim halten

Wieviel zahlen Krankenkassen Pharmakonzernen wirklich für neue Medikamente? Diese Information möchten die Arzneimittelhersteller verbergen, denn sie fürchten Umsatzeinbußen im Ausland. Die Union will die geforderte "Vertraulichkeit" nun sogar gesetzlich festschreiben - und untergräbt damit eigene Bemühungen zur Reduzierung der Preise. Der Bundestag verzichtet auf eine Debatte.

Robert Roßmann, Berlin

Die Unionsfraktion will eine der zentralen Forderungen der Pharmaindustrie erfüllen. Künftig sollen die zwischen Herstellern und Krankenkassen vereinbarten Preise für neue Medikamente geheim gehalten werden. Die Pharmaindustrie erhofft sich dadurch höhere Erlöse.

Psychopharmaka Arzneimittel Barmer Krankenkasse

Was kosten Medikamente wirklich? Diese Information möchte die Pharmaindustrie lieber nicht veröffentlichen. Die Union will diesem Wunsch stattgeben.

(Foto: dpa)

In einem "Positionspapier" der Unionsfraktion zur Änderung des geltenden Gesetzes heißt es: "Eine Veröffentlichung ist grundsätzlich nicht notwendig." Schließlich sei es für die Hersteller "wichtig, dass der verhandelte Erstattungspreis nicht in öffentlich zugänglichen Listen" geführt werde. Die "Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags" müsse gesetzlich sichergestellt werden.

Die Grünen verurteilen die geplante Geheimhaltung scharf. "Kaum sind die Regeln zur Preisbildung neuer Arzneimittel in Kraft, will die Union sie aufweichen", sagt deren Gesundheitsexpertin Birgitt Bender.

Die zuständige SPD-Expertin Marlies Volkmer wirft der Unionsfraktion vor, in dem Positionspapier "fleißig alle Forderungen der pharmazeutischen Industrie gesammelt" zu haben. Auch die Linken kritisieren die geplante Änderung des "Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes" (AMNOG).

Das Gesetz galt bisher als ein Erfolg der schwarz-gelben Koalition. Mit ihm sollen die Kosten für Medikamente reduziert werden. Neue Arzneimittel müssen seitdem auf ihren Zusatznutzen untersucht werden. Anschließend verhandeln Hersteller und Kassen im Lichte des Ergebnisses über einen Rabatt auf den ursprünglich vom Hersteller festgelegten Preis.

Angst ums Auslandsgeschäft

Derzeit laufen die ersten derartigen Verhandlungen. Laut AMNOG muss der Rabatt in den einschlägigen Arzneimittelpreislisten ausgewiesen werden. Dies will die Pharmaindustrie nun mit aller Macht verhindern. In einem vom "Verband forschender Arzneimittelhersteller" (vfa) in Auftrag gegebenen Gutachten wird der Grund für die gewünschte Geheimhaltung klar beschrieben.

"Mehr Spielraum für Rabattgewährung"

Dort heißt es, die Offenlegung des Rabatts habe "erhebliche Auswirkungen über Deutschland hinaus - da die deutschen Arzneimittelpreise in mehr als 30 Ländern bei der dortigen Preisbildung direkt oder indirekt berücksichtigt werden, führt ein öffentlich ausgewiesener Rabatt in Deutschland dazu, dass sich die Preise für das entsprechende Produkt auch in vielen anderen Ländern absenken".

Die deutsche Pharmaindustrie befürchtet deshalb, beim Export ihrer Produkte ins Ausland geringere Gewinne zu erzielen. In der Tat orientieren sich viele europäische Staaten bei der Festsetzung der Medikamentenpreise, die erstattet werden, auch am deutschen Niveau.

In der Schweiz wird beispielsweise der Durchschnitt aus den Preisen in Deutschland, Österreich, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden zum Maßstab genommen. Slowenien wählt den niedrigsten Preis aus seinen drei Referenzländern Deutschland, Österreich und Frankreich. Auch Frankreich, Italien, Belgien, Norwegen, Spanien und viele andere Länder orientieren sich direkt oder indirekt am deutschen Preis.

Die Pharmaindustrie will deshalb, dass die in Deutschland tatsächlich gezahlten Preise geheim gehalten werden. In den offiziellen Listen sollen stattdessen nur die ursprünglich von den Herstellern festgesetzten höheren Preise ohne die vereinbarten Rabatte ausgewiesen werden. Dadurch würden die Preise in den 30 Staaten, deren Medikamentenpreise von den deutschen Preisen abhängen, künstlich hochgehalten.

Diesen Wunsch der Pharmaindustrie hat sich nun die Unionsfraktion zu eigen gemacht. Am vergangenen Donnerstag stand das Thema zum ersten Mal auf der Tagesordnung des Bundestags. Es fand jedoch keine Beachtung, weil die Abgeordneten auf eine Debatte verzichteten und ihre Reden lediglich zu Protokoll gaben. Außerdem wurde der "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" erst um 22.25 Uhr aufgerufen.

In diesem Gesetz wollen CDU und CSU die Geheimhaltung verankern. Die Unionsfraktion macht sich dabei ein weiteres Argument der Pharmaindustrie zu eigen: In dem Positionspapier heißt es, bei einer Geheimhaltung der Preise habe die Industrie "mehr Spielraum für Rabattgewährung". Dahinter steht die Drohung der Industrie, wegen möglicher Einbußen im Ausland bei den Preisverhandlungen im Inland weniger Zugeständnisse machen zu wollen.

Mit einer Geheimhaltung der Rabatte würde allerdings auch eines der zentralen Ziele des europäischen Binnenmarktes konterkariert: Transparenz zu schaffen, damit nationale Preisunterschiede verschwinden.

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