Machtwechsel von Medwedjew zu Putin:Putins letzte Amtszeit

Mit viel Pomp und patriotischem Spektakel inszenieren der bisherige Premier Wladimir Putin und Präsident Dmitrij Medwedjew ihren Ämtertausch. Für Putin dürfte die dritte Amtszeit seine schwerste als Präsident werden. Mit Hybris und ohne Gespür für den Puls des Volkes überhört er den Wunsch nach mehr Demokratie, nach echtem Wettbewerb in der Politik.

Frank Nienhuysen, Moskau

Ein neuer Staatschef, das heißt in der Regel Aufbruch, Zäsur, zerrissen der Schleier der Depression. An Pomp wird es nicht mangeln, wenn Wladimir Putin an diesem Montag im Kreml das russische Präsidentenamt übernimmt. Es ist der Beginn eines dreistufigen Fests, das sich mit der Wahl von Dmitrij Medwedjew als Regierungschef fortsetzt und am Mittwoch endet, wenn als patriotisches Spektakel Panzer und Raketen zur Siegesfeier über den Roten Platz gefahren werden. Danach aber lauern Alltag und Tristesse. Wohl selten zuvor war die Amtseinführung eines Präsidenten von so viel Nüchternheit und gedämpften Hoffnungen flankiert. Putins dritte Amtszeit dürfte seine schwerste werden.

Wladimir Putin und Dmitri Medwedew

Wladimir Putin und Dmitrij Medwedjew: Die Enttäuschung ist groß über den inszenierten Ämtertausch von Präsident und Premier.

(Foto: dpa)

Viele Russen sehen es ja so: Putins erste Präsidentschaft beendete das Chaos der ersten postsowjetischen Jelzin-Jahre. In Amtszeit zwei mehrte sich dank hoher Einnahmen aus dem Energieexport der Wohlstand, zementierte Russland sein wiedergewonnenes außenpolitisches Selbstbewusstsein. Zugleich verstärkte sich die Drift zu einem autoritären Staat, dem die eigenen Bürger oft misstrauen. Wofür aber wird Putin III. stehen? Selbst seine eigene Wählerklientel sieht in dem künftigen Kremlchef mehr den Bürgen von Stabilität als den Antreiber von Reformen, den Russland jedoch dringend bräuchte. Und das ist nur ein Teil der russischen Bevölkerung. Der andere glaubt an Rückschritt, wenn er nach vorn schaut.

Ausgerechnet in der ersten Präsidentschaft, die sich über verlängerte sechs Jahre streckt, muss Putin auf den selbsternannten Titel des "nationalen Anführers" verzichten. Selbst wenn die Großdemonstrationen frustrierter Russen zuletzt an Zugkraft verloren haben, steht die Nation nun nicht mehr geschlossen hinter ihm wie eine Armee hinter ihrem General. Die Enttäuschung in Russland ist groß über den inszenierten Ämtertausch von Präsident und Premier. Leise, aber stetig setzt sich der Exodus des russischen Mittelstandes ins Ausland fort, weil die Perspektive im eigenen Land doch deutlich geringer erscheint, als Putin und Medwedjew es mit ihren langfristigen 20-Jahres-Plänen suggerieren.

Ohne Gespür für den Puls des Volkes

Sicher, Russland hat Wirtschaftswachstum und eine relativ geringe Arbeitslosenquote. Das aber reicht nicht, wenn das riesige Land international aufholen und wie versprochen zu den größten Industrienationen der Welt aufsteigen will. Denn vergleichbar ambitionierte Staaten wie die Bric-Länder China, Indien und Brasilien haben Russland längst hinter sich gelassen.

Nur in der Theorie haben Putin und Medwedjew bisher verstanden, dass Korruption der Kern des Elends ist, der einen nennenswerten Aufschwung bremst. Praktisch ist das Problem sogar noch größer geworden. Auch die traditionelle Abhängigkeit vom Ölexport, die Putin und Medwedjew eigentlich beenden wollten, legt das Land noch immer in Fesseln. Derzeit ist der Preis hoch, aber das ist nur eine kurzfristige politische Lebensversicherung für den neuen Präsidenten. Sinkt er wieder, sind die geplanten Ausgaben für Bildung und Sozialsysteme kaum noch haltbar und ein neuer Sturm des Protests braust übers Land.

Putin fühlt sich sichtlich gestärkt durch seine klare Wiederwahl. Tatsächlich aber beruht sie nur zu einem Teil auf seiner Popularität, zum anderen aber auf den Einsatz der Machtinstrumente, auf Medienpropaganda, Hilfe der Behörden und Einschüchterung. Mit Hybris und ohne Gespür für den Puls des Volkes überhört er den Wunsch nach mehr Demokratie, nach echtem Wettbewerb in der Politik. Kaum der Rede wert sind die ersten Kompromissangebote an seine Gegner. Allein aber wird es Putin schwer gelingen, Russland voranzubringen. Sollte es der Opposition gelingen, einen ernsthaften Kandidaten zu etablieren, der sich auch in der Provinz Respekt verschafft, dürfte an diesem Montag Putins letzte Amtszeit beginnen.

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