Warnstreik bei Opel:Ach, Astra

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In Rüsselsheim demonstrieren 8000 Opel-Mitarbeiter für höhere Löhne und gegen die Verlagerung der Produktion ins Ausland. Auch in Bochum bangen die Angestellten wieder einmal um ihre Jobs. Manchen sind sogar schon Wut und Trauer vergangen. Sie sind von der Dauerkrise bei dem Autohersteller einfach nur noch genervt.

Harald Freiberger und Thomas Fromm

Auf dem Bahnhofsplatz in Rüsselsheim steht die grün verwitterte Statue des Mannes, dem die Stadt so viel zu verdanken hat. Unternehmensgründer Adam Opel wäre an diesem Mittwoch 175 Jahre alt geworden. Am Tag davor haben ihm Demonstranten ein rotes IG-Metall-Plakat umgehängt. Es ist Großkampftag in Rüsselsheim, wieder einmal.

8000 Mitarbeiter demonstrieren vor dem Denkmal des Fabrikanten Adam Opel am Hauptsitz in Rüsselsheim für höhere Löhne und gegen die Verlagerung der Produktion ins Ausland. (Foto: dapd)

"Ich frage mich, wie oft wir hier noch stehen und uns für die Zukunft unseres Unternehmens einsetzen müssen", ruft Armin Groß von der IG Metall. 8000 Beschäftigte aus der Entwicklung und der Produktion haben sich auf dem Platz eingefunden, viele in der grau-weißen Arbeitskluft, mit rotem Gewerkschafts-Käppi auf dem Kopf und Zigarette im Mund. Auch Betriebsrats-Legende Klaus Franz ist gekommen. Er, der die großen Kämpfe der vergangenen Jahre gesehen hat, ist seit vergangenem Jahr im Ruhestand. "Es ist immer wieder das Gleiche", sagt er.

Und doch ist es diesmal anders. Schlimmer noch. Die Opel-Mutter General Motors (GM) in den USA droht damit, die Produktion des Astra von Rüsselsheim nach Polen und England zu bringen. Das ist noch nicht alles. Im Gegenzug könnte der Zafira in Rüsselsheim statt in Bochum gebaut werden. Folge: Das Werk in der Ruhrgebietsstadt Bochum, wo Opel seit 50 Jahren produziert, könnte mit ihren über 3000 Arbeitern nach 2014 dichtgemacht werden. Ein schwerer Schlag für den Ruhrpott.

Deswegen zittern sie heute überall. In Rüsselsheim, aber auch in Bochum. Denn was gut ist für Rüsselsheim, ist nicht unbedingt gut für Bochum. Die Belegschaft in Rüsselsheim hat schon 35 Millionen Euro angeboten; über eine Verlängerung der Arbeitszeit von jetzt 35 auf 40 Stunden wird gesprochen. Es sind Lohneinbußen, die helfen sollen, den Standort zu sichern und das Schlimmste zu verhindern. Jeder kämpft für sich allein. Die Engländer, die Polen, die Rüsselsheimer und die Bochumer.

Deswegen sind sie sauer. "Wir werden nicht das Futter liefern, mit denen einige Herren ihre Sparschweine füttern wollen", sagt Armin Schild, der Chef der hessischen IG Metall. Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Chef in Hessen, geht noch schärfer mit der amerikanischen Mutter ins Gericht. "Ich habe die Schnauze gestrichen voll von der Planlosigkeit des Managements", sagt er. Und: "Der Astra gehört zu Rüsselsheim wie der Golf zu Wolfsburg, wir dürfen nicht zulassen, dass die Seele hier herausgebrochen wird", ruft er.

Hinter ihm stehen die roten Backsteinmauern des ersten Opel-Werkes von Rüsselsheim. Produziert wird hier längst nicht mehr, das Gelände ist verkauft. Rüsselsheim, die Opel-Stadt, droht zu einem Auto-Museum zu werden. Der Haken ist nur: Für ein Museum braucht es lediglich ein paar Museumsführer. Für eine Fabrik dagegen sind viele Arbeiter nötig.

Absatzrückgang um 16 Prozent

In der Menge stehen Thomas Erfurt und Holger Enders, beide arbeiten in der Entwicklung. Der eine ist seit 30 Jahren bei Opel, der andere seit 27 Jahren. "Wir sind nicht mehr wütend oder traurig, wir sind nur noch genervt", sagt Erfurt. "Es geht von einem Loch ins nächste, das zermürbt uns."

2004 seien massenhaft Stellen abgebaut worden, dann gab es in der Finanzkrise 2008/2009 die Verkaufsgerüchte, schließlich die Rettung. Doch statt eine Wachstumsstrategie zu präsentieren, kämen von General Motors nur immer neue Horrornachrichten. Hauptproblem für Enders: "Dass uns die Amerikaner so an der kurzen Leine halten. Wir dürfen nicht in Wachstumsstaaten wie China exportieren, um andere GM-Marken zu schützen, uns bleiben nur die Märkte in Spanien oder Griechenland, was willst du da gewinnen?"

Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke weiß selbst, dass da nichts zu gewinnen ist. Es sind harte Zeiten. Was fehlt, ist die richtige Strategie. "Wir führen Gespräche mit den Arbeitnehmern", sagte er nur. Danach werde man über die Belegung der Werke entscheiden. Die Zeit drängt. Im ersten Quartal ist der Absatz um 16 Prozent zurückgegangen.

© SZ vom 09.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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