Gewalt bei Einsätzen:Was Polizisten dürfen - und was nicht

Wegen rüder Verhörmethoden sind Polizisten aus Bayern massiv in die Kritik geraten. Doch wie weit dürfen die Beamten bei Kontrollen gehen? Und wer bestimmt eigentlich, ob ein Mensch verdächtig aussieht? Eine Zusammenfassung.

Ronen Steinke

Ein Mann wird an einem U-Bahnhof von der Polizei aufgegriffen und auf die Wache gebracht, wo er auf entwürdigende Art und Weise nach Drogen untersucht wird. Dieser Fall vom März dieses Jahres ist nur einer von vielen, bei denen Polizeibeamte wegen harten Vorgehens in die Kritik geraten sind. Gerade bayerische Polizisten gelten als nicht zimperlich. In der Tat haben sie auch mehr Befugnisse als Kollegen in anderen Bundesländern. Wenn sie Grenzen überschreiten, müssen sie sich laut Gesetz dafür verantworten. Eine Übersicht.

Wann darf die Polizei in Bayern einen Menschen körperlich durchsuchen?

Der Grundsatz lautet: Nur wer verdächtig ist, darf durchsucht werden. "Tatsachen", so heißt es in Artikel 21 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, müssen "die Annahme rechtfertigen", dass der Bürger "Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen". Also zum Beispiel Drogen oder verbotene Waffen. Wenn es solche Anhaltspunkte für einen Verdacht nicht von vornherein gibt, ist die Durchsuchung illegal.

Wer bestimmt, ob ein Mensch "verdächtig" aussieht?

Die Entscheidung trifft der Polizist selbst - er muss aber konkrete Gründe dafür benennen können, notfalls auch vor einem Verwaltungsgericht, das später überprüfen kann, ob dem Bürger Unrecht angetan wurde. Ein bloßer "schlampiger Eindruck", erklärt der Jurist Martin Heidebach, der an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) Polizeirecht unterrichtet, reiche als Verdachtsmoment ganz sicher nicht aus. "Man hat das Recht, schlampig auf der Straße herumzulaufen." Wenn es darum gehe, ob jemand verdächtig aussieht, zum Beispiel bei einer Personenkontrolle am Bahnhof Markt Schwaben, dann müsse der Polizist schon mindestens auf erweiterte Pupillen verweisen können - oder den Bürger in Ruhe lassen.

Soweit die Regel. Und die Ausnahme - etwa am Münchner Hauptbahnhof?

Nicht immer müssen Polizisten in Bayern begründen, warum sie einen Bürger darum bitten, seine Taschen auszuleeren. An "gefährlichen Orten" nämlich, so bestimmt es das Polizeiaufgabengesetz, dürfen sie jeden durchsuchen. Solche Orte ballen sich gerade in einer Großstadt wie München erheblich. Am Hauptbahnhof, wo nach der Erfahrung der Polizei mehr Drogen umgeschlagen werden als an anderen Orten der Stadt, ist jeder verdächtig. Auch Orte, an denen Prostitution ausgeübt wird, zählen laut Artikel 13 des Polizeiaufgabengesetzes dazu, also zum Beispiel die Münchner Hansastraße.

Die Liste geht noch weiter: Hat die Polizei Hinweise, dass in "einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt" eine Straftat begangen werden soll, dann darf sie hier - und im näheren Umkreis - alle Menschen kontrollieren. Und schließlich gelten auch an allen Orten, die mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr zu tun haben, besondere Kontrollrechte. Das betrifft Autobahnraststätten, aber auch einen Streifen von 30 Kilometer vor der Grenze.

Wie weit dürfen Polizisten auf der Suche nach Drogen gehen? Bis in die Unterhose?

Es gibt Fälle, in denen eine Durchsuchung bis in die Unterhose hinein tatsächlich legal ist, etwa wenn die Polizisten starke Anhaltspunkte dafür haben (und benennen können), dass ein Mensch Crack-Kügelchen schmuggelt. "Grundsätzlich denkbar" ist aus Sicht des bayerischen Innenministeriums auch "eine Nachschau unter der Vorhaut, die auch von der Szene im Internet als Versteck für Drogen in Form von Tabletten thematisiert wird". Polizeirechtler Martin Heidebach von der LMU wendet aber ein: Ob die Beamten im Einzelfall so weit gehen dürfen, "ist immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit". Das heißt: Wenn ein Bürger nur deshalb durchsucht wird, weil er sich zum Beispiel am Hauptbahnhof aufhält, müssen die Polizisten sich zurückhalten. Dann dürfen sie lediglich Taschen kontrollieren.

Auch wenn sich ihr Verdacht lediglich auf weiche Drogen bezieht statt auf Heroin oder Crack, müssen sie vor der Unterhose Halt machen. "Die Intimsphäre ist ein hohes Gut, das durch das Grundgesetz geschützt ist", sagt Heidebach. Auch das Innenministerium stellt klar, dass eine Durchsuchung im Intimbereich rechtswidrig ist, wenn die Beamten lediglich einen Verdacht auf Haschisch-Besitz haben, wie jüngst im Fall eines 27-jährigen Münchners: "Die Intimsphäre des Beschuldigten ist in solchen Fällen gegenüber der Gefahr des unerlaubten Besitzes von Cannabis als höherwertig zu sehen." Das heißt: Eine solche Kontrolle ist nicht rechtens.

Fälle, in denen Polizisten wegen übertriebener Härte in Kritik gerieten, finden Sie hier in einer Übersicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: