Eklat bei Journalisten-Ehrung:SZ-Redakteure lehnen Henri-Nannen-Preis ab

Die Jury des renommierten Henri-Nannen-Preises konnte sich in der Kategorie "Beste investigative Leistung" nicht auf einen Gewinner einigen. Deshalb wollte sie zwei Autorenteams auszeichnen. Eines von der "Bild"-Zeitung und eines von der "Süddeutschen Zeitung" - SZ-Rechercheur Leyendecker lehnte die Auszeichnung aus Protest stellvertretend ab.

Jens Schneider

Für einen kurzen Moment ist Stille, kein Applaus. Als ob zunächst nicht klar ist, wie es weitergehen soll. Mit diesem Abend im Hamburger Schauspielhaus, mit dem Henri-Nannen-Preis. "Ich glaube, dies muss ein Anlass sein, über das Handwerk des Journalismus' zu sprechen", hatte Andreas Wolfers da gesagt, der Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule. Er sollte auf der Bühne einen Eklat bei der Verleihung des renommiertesten deutschen Journalisten-Preises kommentieren. Zuvor hatte die Jury in der Kategorie "Beste investigative Leistung" zwei Autoren-Teams ausgezeichnet. Eines aber, Rechercheure der Süddeutschen Zeitung, nahm nicht an.

Nach drei Abstimmungen, von denen jede mit einem Patt geendet hatte, sollte der Preis zum einen an zwei Journalisten von Bild gehen, Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch für den Bericht "Wirbel um Privatkredit - Hat Wulff das Parlament getäuscht?". Damit wurde zum ersten Mal ein Boulevard-Blatt ausgezeichnet. Die Reporter hätten nach einjähriger Recherche als erste die Geschichte veröffentlicht, die zum größten politischen Skandal des Jahres führte, der in den Rücktritt des Bundespräsidenten mündete, sagte Helmut Markwort für die Jury.

Leyendecker spricht von einem "Kulturbruch"

Gleichermaßen ausgezeichnet werden sollte das Autoren-Team der Süddeutschen Zeitung, das den Korruptions-Skandal "Die Formel-1-Affäre" aufdeckte: Hans Leyendecker, Klaus Ott, Nicolas Richter. Die SZ-Journalisten bedankten sich für die Nominierung, lehnten den Preis - genannt: Henri - jedoch ab. "Wir möchten nicht gemeinsam mit der Bild ausgezeichnet werden", sagte Hans Leyendecker, er nannte die Auszeichnung "ein bisschen einen Kulturbruch".

In der Jury hatte es kontroverse Debatten um die Auszeichnung für Bild gegeben, auch öffentlich wurde vorher diskutiert. So warnte die frühere Vize-Präsidentin des Bundestags, Antje Vollmer (Grüne), in der Frankfurter Rundschau "vor einem Alarmsignal" für den deutschen Journalismus, es dürfe keinen "Ritterschlag für das Massenblatt" geben.

Als weitere Preisträger wurden in Hamburg unter anderem Zeit-Redakteur Stefan Willeke für die beste Reportage und Niklas Maak von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung für seinen Essay "Architekten, auf die Barrikaden!" ausgezeichnet.

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