Bundesliga:Fußball ist kein Computerspiel

Das Zusammenstellen eines Kaders ist heute wichtiger denn je - doch nicht alle Bundesliga-Vereine verstehen sich auf geschickte Kader-Architektur.

Jürgen Schmieder

Im Jahr 1989 kam ein Computerspiel auf den Markt, es hieß "Bundesliga Manager". Es war ein riesiger Erfolg, dieses Spiel, weil es so einfach zu bewältigen war. Der Spieler musste die Finanzen des Vereins verwalten und die besten Fußballer kaufen, die auf dem Transfermarkt erhältlich waren. Diese Akteure stellte er irgendwie in eine taktische Formation. Waren die Leistungspunkte der eigenen Mannschaft höher als die des Gegners, gewann der Manager die Begegnung am Wochenende, am Ende der Saison die Meisterschaft - und konnte dann behaupten: Seht her, ihr wahren Bundesliga-Manager, so wird das gemacht.

Horst Heldt

Manager Horst Heldt muss mit der kniffligen Situation beim VfB Stuttgart umgehen.,

(Foto: Foto: dpa)

Das Zusammenstellen des Kaders gestaltete sich einfach - man musste lediglich darauf achten, möglichst viele möglichst gute Spieler aufs Feld zu schicken. Die wahrlich interessanten Fragen blieben außen vor: Harmoniert der Stürmer mit dem Linksaußen? Fühlt sich der südamerikanische Dribbler überhaupt wohl in der Stadt? Hat einer private Probleme und kommt nicht mehr aus dem Winterurlaub? Und könnte der Linksverteidiger - den es damals ja noch gar nicht gab - auch rechts spielen? Fußball als Computerspiel, das war schon eine einfach gestrickte Sache.

Nach den ersten zehn Spieltagen dieser Saison lässt sich feststellen, dass so mancher Verein den Kader so zusammenbastelte, wie es die Computerzocker vor 20 Jahren getan haben: Wir brauchen Ersatz für unseren abgewanderten Stürmerstar? Wenn einer daherkommt, den wir uns leisten können, dann greifen wir zu. Auf dem Transfermarkt ist ein prima Außenstürmer? Kaufen, auch wenn wir eigentlich einen Abwehrspieler bräuchten. Der zentrale Abwehrspieler verlässt den Verein? Wir haben kein Geld, wird schon irgendwie klappen.

Freilich ist die Gestaltung eines Kaders nicht nur von der Kreativität der Verantwortlichen abhängig, sondern durch andere Faktoren wie Finanzlage, Marktsituation oder manchmal einfach nur Glück bestimmt (siehe Interview mit Bremens Manager Klaus Allofs). Manchester United etwa, so ist aus dem Umfeld des englischen Vereins zu erfahren, geht bei Transfers so vor: Stellt Trainer Alex Ferguson fest, dass er einen Linksverteidiger benötigt, dann wird monatelang akribisch gesucht, bis man irgendwo auf der Welt genau den Spieler findet, der ins Konzept passt - und dann wird versucht, den Spieler zu verpflichten.

"Es ist, als würde man ein Orchester zusammenstellen", sagt Ferguson. Freilich gehört Manchester United laut Forbes zu den wertvollsten Sportvereinen der Welt, die Verantwortlichen tun sich leichter als andere Klubs, ein funktionierendes Orchester zusammenzustellen. Derartig teure Transfers können sich Vereine in der Bundesliga nicht leisten - eine ähnlich akribische Planung indes schon. Und da hat es den Anschein, dass mancher Bundesliga-Klub nicht so akribisch komponiert wie Manchester United.

In Stuttgart wurde der Wechsel von Mario Gomez zum FC Bayern für eine Transfersumme von etwa 30 Millionen Euro am 26. Mai bekanntgegeben. Nun ist einer wie Gomez wahrlich nicht leicht zu ersetzen; bei der Computersimulation aus dem Jahre 1989 wäre sofort ein gleichwertiger Ersatz auf dem virtuellen Transfermarkt aufgetaucht. Im echten Managerleben passiert das natürlich nicht, aber es gibt zumindest die Möglichkeit, nach einem gleichwertigen Ersatz zu suchen.

Und zunächst versuchte sich Manager Horst Heldt ja noch in architektonischer Kaderplanung. Er wollte Demba Ba aus Hoffenheim holen, weil der "perfekt zu uns passt", wie Heldt sagte. Der Transfer scheiterte, Heldt probierte die Akquise von Klaas-Jan Huntelaar: "Wir mobilisieren alle Kräfte, er passt sehr gut zu uns." Zwar nicht perfekt wie Ba, aber immerhin noch sehr gut. Als der Holländer absagte, verpflichtete Stuttgart fünf Tage vor Saisonstart dann doch Pawel Pogrebnjak. Kein Wort von Heldt, wie gut der Russe zu den Stuttgartern passen könnte. Nach elf Spieltagen steht zu befürchten, dass es weder perfekt noch sehr gut ist. Pogrebnjak wirkt zwar optisch wie Gomez, ist jedoch wahrlich kein Top-Torjäger.

Dass Julian Schieber seit gefühlten sieben Wochen pro Spiel einmal den Pfosten trifft und Jens Lehmann seit kurzem einen Kleinkrieg mit sämtlichen Balljungen Deutschlands ausficht, ist nun wahrlich nicht der Kaderplanung zuzuschreiben. Die Verantwortlichen hätten indes die Kompabilität der Mittelfeldzugänge Kuzmanovic und Hleb überprüfen können.

Horst Heldt reagierte auf die Kritik an seiner Kaderplanung zuletzt dünnhäutig: "Natürlich haben wir uns ein Jahr lang intensiv damit beschäftigt, was wäre, wenn Mario Gomez den Verein verlassen würde. Aber es ist kein Managerspiel, wo ich irgendeinen Spieler anklicken und den dann zum VfB Stuttgart transferieren kann. So läuft das Geschäft nicht."

Keine acht Stürmer auf dem Feld

Beim FC Bayern dagegen hat es den Anschein, als habe der Verein das Computerspiel "Bundesliga Manager" erfunden. Es gab viele Stimmen, dass der Verein etwas unternehmen müsse - vor allem im defensiven Bereich. Das Problem war nur, dass der beste verfügbare Spieler nicht Verteidiger war, sondern Außenstürmer. Also wurde der Außenstürmer verpflichtet (Robben) und jedem, der sich darüber wunderte, der Fußballverstand abgesprochen.

"Die Fachleute wissen, dass wir hinten keinen Bedarf haben, aber vorne", argumentierte Uli Hoeneß. "In der Defensive haben wir überhaupt keinen Bedarf. Wir fordern in der Defensive keinen Transfer heraus, der zwischen 15 und 20 Millionen Euro kostet." Genau das hätte Manchester aber wohl getan: Für das Geld, für das die Bayern die Linksverteidiger Braafheid und Pranjic holten, hätte der Klub von der Insel lange nach nur einem, aber dafür mit dem Prädikat "internationale Klasse" versehenen Spieler gesucht.

Die Option wie beim Computerspiel, auch mal acht Stürmer aufs Feld zu schicken und dennoch ein Spiel zu gewinnen, ergibt sich für Trainer Louis van Gaal indes nicht - er kann höchstens noch einen Verteidiger in den Sturm beordern wie am vorvergangenen Samstag, um ein Spiel doch noch zu gewinnen. Etwa 75 Millionen gaben die Münchner im Sommer aus - das Problem war nur, dass ein Großteil davon in der Vor-van-Gaal-Zeit investiert wurde (Timoschtschuk, Gomez). So waren die Käufe die Veredelung eines Objekts, Eckpfeiler oder stützende Mauern für das Gebilde waren Stand heute nicht dabei, wie auch Präsident Franz Beckenbauer kürzlich attestierte: "Einige sehe ich mehr als Ergänzungsspieler, nicht als Verstärkungen."

Letztendlich müssen sich die Verantwortlichen der Vereine daran messen lassen, ob sie aus den vorhandenen Möglichkeiten einen Kader zusammengestellt haben, der die Erwartungen erfüllt - und die sind sowohl in Stuttgart als auch beim FC Bayern ähnlich: das Erreichen des Achtelfinales in der Champions League und die Qualifikation für die internationalen Wettbewerbe in der kommenden Saison. Im Computerspiel "Bundesliga Manager" übrigens gab es keine Sanktionen für Misserfolg, also keinen Rauswurf und auch kein schlechtes Ergebnis bei der Jahreshauptversammlung. Im wahren Leben gibt es das schon.

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