Neue Regelungen zur Organspende:Wenn der Bürger bedrängt wird

In Kürze steht das Transplantationsgesetz zur Verabschiedung an. Doch es ist noch nicht ausgereift und möglicherweise sogar kontraproduktiv. Die Zehntausenden Patienten, die schwer krank auf ein Spenderorgan hoffen, haben mehr verdient als eine Symbolpolitik, die nur Wählerstimmen bringen soll.

Christina Berndt

Die Zeit der Diskussionen soll nun vorbei sein. Schon in eineinhalb Wochen wird der Bundestag nach dem Willen der federführenden Akteure über das neue Transplantationsgesetz abstimmen. Das Gesetz wird den Druck auf die Bürger erhöhen, sich für oder gegen die Spende ihrer Organe nach ihrem Tode zu entscheiden. Eine Anhörung soll es in Berlin nicht mehr geben. Im Eiltempo soll ein Gesetz, das in das Leben eines jeden Bürgers eingreift, durchgewinkt werden.

Dabei wären weitere Diskussionen dringend nötig, denn die geplante Novellierung ist oberflächlich und könnte sogar negative Folgen für die Patienten haben, die so dringend auf ein Spenderorgan warten. Künftig sollen Krankenkassen die Bürger immer wieder "ausdrücklich auffordern", sich zu ihrer Spendebereitschaft zu äußern. Doch dass die Werbepost tatsächlich mehr Menschen als bisher dazu bringen wird, über ihre Spendebereitschaft und damit über ihren Tod nachzudenken, darf bezweifelt werden.

Gelegenheiten zum Ausfüllen eines Organspendeausweises gab es auch bisher schon genug, ohne dass Bürger sie in großer Zahl ergriffen hätten. Wahrscheinlich ist das Gesetz sogar kontraproduktiv: Wenn ein Mensch in besseren Zeiten 20 Briefe seiner Krankenkasse unbeantwortet ließ, weil ihm die Entscheidung über seine Organe zu schwierig oder unangenehm war, was werden seine Angehörigen dann sagen, wenn er auf dem Sterbebett liegt? Etwa dass er gewiss Organspender hätte werden wollen und sie nun an seiner statt einer Organentnahme zustimmen? Nein, sie werden zu Recht denken: Er wollte sich wohl nicht für die Spende aussprechen. Und deshalb können sie es auch nicht guten Gewissens für ihn tun.

Auch aus bioethischer Sicht sollte das Gesetz nicht wie geplant auf den Weg gehen. Denn es regelt die Transplantationsmedizin nicht nur, wie es sich für ein Gesetz gehören würde. Es soll einen Auftrag erfüllen: "Ziel ist es, die Bereitschaft zur Organspende zu fördern." Das ist eine unangemessene Losung. Gerade in einem so sensiblen Bereich sind größtmögliche Freiwilligkeit und Unvoreingenommenheit unabdingbar.

Bürger wollen in diesen Fragen nicht bedrängt werden. Daher würden sie auch gerne wissen, wie das Förderziel des Gesetzes mit dem ebenfalls festgeschriebenen Anspruch zu vereinbaren ist, die Aufklärung müsse ergebnisoffen sein. Nur wenn Vertrauen in die Transplantationsmedizin wächst, steigt vielleicht auch die Spendebereitschaft.

Ziel des Gesetzes müsste es deshalb sein, die Strukturen im Transplantationswesen so zu gestalten, dass sie die Organspende fördern. Dazu müssen vor allem Transparenz und Kontrolle geschaffen werden, die es heute aufgrund fehlender Rechtsnormen und auch wegen der Verflechtungen der Akteure nicht gibt. Doch statt die bisherigen Strukturen ganz neu zu überdenken, will der Gesetzgeber nun ausgerechnet den Einfluss der in die Schlagzeilen geratenen Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) stärken. Die DSO koordiniert alle Organspenden in Deutschland auf zum Teil selbstherrliche Art. Dabei kann sie ohne effektive Kontrolle durch Aufsichtsbehörden oder Parlament wirken.

Weitere Diskussionen aber, so fürchtet vor allem die SPD, wo die Novelle als "Lex Steinmeier" gefeiert wird, würden nur ihren Fraktionsvorsitzenden beschädigen. Schließlich hatte dieser die Gesetzesänderung durch die Spende einer seiner Nieren an seine Ehefrau erst in Gang gebracht. Und sein CDU-Kollege Volker Kauder beteiligte sich an dem populären Thema gern. Deswegen sollen kritische Stimmen jetzt schweigen. Zehntausende Patienten, die schwer krank auf ein Spenderorgan hoffen, haben aber mehr verdient als eine Symbolpolitik, die nur Wählerstimmen bringen soll. Für sie ist es eine Katastrophe, dass der Bundestag die Chance verpasst, das wichtige Thema mit Tiefgang und Ernst zu behandeln.

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