Der Fall Kaufmann:Ermittler ohne Selbstzweifel

"An seiner Mittäterschaft gibt es für mich keinen Zweifel": Der ehemalige Chefermittler Josef Wilfing verbreitet in Interviews, dass er den verstorbenen Schauspieler Günther Kaufmann trotz des Freispruchs in einem Mordprozess für schuldig hält. Die Aussagen zwingen das Münchner Polizeipräsidium zu einer Reaktion.

Susi Wimmer und Christian Mayer

Es war die bizarrste Rolle seines Lebens, die der Schauspieler Günther Kaufmann am Morgen des 8. Februar 2001 übernommen hatte: Er spielte so überzeugend, dass er dafür im Gefängnis landete. Fünf Stunden lang hatte Ermittler Josef Wilfling ihn damals im Münchner Polizeipräsidium in die Mangel genommen. Fünf Stunden Vorhaltungen, direkte Konfrontation und die Aussicht, dass ein Geständnis sich doch strafmildernd auswirken könne.

Kaufmann als Zeuge vor Gericht

Günther Kaufmann als Zeuge vor Gericht: Der Schauspieler hatte zunächst den Mord an dem Steuerberater gestanden und war zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Später wurde er freigesprochen.

(Foto: dapd)

Kaufmann sollte gestehen, den Steuerberater Hartmut Hagen in dessen Villa in Großhadern ermordet zu haben. "Dann kriegen Sie halt ein Geständnis von einem, der es nicht war", sagte Kaufmann zu Wilfling. Und dann erzählte er, wie er sich mit dem ganzen Gewicht seines Körpers auf den Steuerberater gehockt und ihn erstickt habe. Kaufmann wird zu 15 Jahren Haft verurteilt, von denen er 831 Tage tatsächlich auch absitzt.

Zwei Jahre später, als die wahren Mörder festgenommen werden, stellt sich heraus: Kaufmanns Geständnis war eine Lüge. Eine Lüge aus Liebe zu seiner todkranken Frau Alexandra Kaufmann, die hinter dem Verbrechen steckte und nach allem, was später herauskam, drei Berliner Kriminelle, darunter auch ihren Liebhaber, mit dem Mord beauftragt hatte.

Am vergangenen Samstag starb Günther Kaufmann auf offener Straße in Berlin-Grunewald an einer Herzattacke. Das mediale Interesse ist gewaltig, schließlich bietet der Schauspieler, der einst von Regisseur Rainer Werner Fassbinder entdeckt wurde, reichlich Stoff für heitere, vor allem für traurige Geschichten. Am gestrigen Montag lief, aus Anlass des überraschenden Todes des 64-Jährigen, die Dokumentation "Das falsche Geständnis des Günther Kaufmann" zur besten Sendezeit in der Reihe "Die großen Kriminalfälle".

Der Fall Kaufmann - er lässt das Publikum und die Prozessparteien bis heute nicht los, trotz des eindeutigen Freispruchs. Gleich nach dem Tod des Schauspielers gab der pensionierte Mordermittler Josef Wilfling Interviews in Boulevardmedien. Der erfolgreiche Buchautor, der sich gerne für seine "hundertprozentige Aufklärungsquote" feiern lässt, wiederholte noch einmal, was er schon in der Fernsehdokumentation geäußert hatte: Kaufmann müsse in den Mord verstrickt gewesen sein. "An seiner Mittäterschaft gibt es für mich keinen Zweifel." Bei der Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Kaufmann habe das Gericht nur nicht nachweisen können, "was er wirklich gemacht hat", sagt Wilfling.

Kaufmann soll am Tatort gewesen sein

Dabei waren sich sowohl Staatsanwaltschaft wie Verteidigung nach eingehender Prüfung einig: Mit dem Tod des Steuerberaters Hartmut Hagen habe Kaufmann "zu unser aller Überzeugung" nichts zu tun, sagte Staatsanwältin Nicole Selzam am Ende des Wiederaufnahmeprozesses gegen Kaufmann im Januar 2005. Für ein strafbares Verhalten Kaufmann, sei es als Täter, Anstifter oder Gehilfe gebe es "keinerlei Beweise".

Kaufmanns Verteidiger übte damals heftige Kritik an der Leichtfertigkeit, mit der Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sich im ersten Prozess ein Urteil über Kaufmanns Schuld gebildet hätten. Vor allem Chefermittler Josef Wilfling habe auch noch als Zeuge im Wiederaufnahmeprozess erklärt, es sei davon überzeugt, dass Kaufmann am Tatort gewesen sei und dort "etwas getan habe, was er für schlimmer hielt als das, wofür er verurteilt wurde". Verteidiger Unger fand es dagegen "unerträglich", dass ein Ermittler in öffentlicher Verhandlung einen solchen "ungeheuerlichen und völlig aus der Luft gegriffenen Vorwurf" in den Raum stelle.

Wilfling selbst will sich in der SZ nicht mehr zu dem Thema äußern. In der ARD-Dokumentation am Montagabend, die als persönliches Duell zweier Männer inszeniert war, erlebten die Zuschauer einen sehr selbstsicheren, betont ruhigen, absolut von sich überzeugten Ermittler. Selbstkritik, Skrupel, vielleicht auch Bedauern über eigene Fehler, die er und seine Kollegen im Fall Kaufmann möglicherweise im Eifer des Gefechts während der stundenlangen Vernehmungen gemacht haben könnte - davon ist nie die Rede bei Josef Wilfling.

In der Rollenbeschreibung des erfolgreichen Star-Ermittlers sind Zweifel nicht zugelassen - und der Freispruch des Gerichts zählt offenbar auch wenig. Immerhin hat jetzt auch das Münchner Polizeipräsidium reagiert: "Das ist die private Meinung des Pensionärs Josef Wilfling." Man wollte sich zu dem abgeschlossenen Fall nicht mehr äußern, schließlich habe das Gericht eine Entscheidung getroffen", sagte Polizeisprecher Reinhold Bergmann.

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