Regierung in Ungarn:Pragmatisches Bündnis gegen Orbáns Saubermann-Image

Mit dem Versprechen, die Korruption zu bekämpfen und die Wirtschaft zu stärken, ist der Populist Orbán zum ungarischen Premier gewählt worden. Doch auch seine Regierung kann das Budgetloch nicht stopfen und seine Umfragewerte sinken. Jetzt arbeiten Rechtsradikale und Linke zusammen daran, ihn seinerseits der Korruption zu überführen.

Cathrin Kahlweit

Als der Chef der rechtsradikalen ungarischen Partei Jobbik, Gabor Vona, am Wochenende vor seinen Anhängern auftrat, kannte der Jubel keine Grenzen. Man sei fest entschlossen, 2014 stärkste Kraft zu werden und auch in der Regierung zu sitzen, rief Vona auf dem Parteitag.

Hungarian Prime Minister Orban attends joint news conference after meeting with his Croatian counterpart Milanovic in Budapest

Viktor Orbán auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit dem kroatischen Regierungschef Zoran Milanovic in Budapest.

(Foto: REUTERS)

Derzeit sprechen zwar weder die Umfrage-Ergebnisse noch das Verhalten der anderen Parteien dafür, dass die antisemitische und rassistische Partei in Ungarn schon bald, womöglich in einer Koalition, das große Wort führen wird. Jobbik kann trotz sinkender Zustimmung für die regierende Fidesz unter ihrem Parteichef, Premier Viktor Orbán, kaum zulegen, und im Parlament hält die Opposition Abstand zu den Rechtsextremen. Aber: Dieser Ab- und Ausgrenzungsversuch der Sozialdemokraten (MSZP) und der Grünen (LMP) wird nicht konsequent umgesetzt, wenn es gilt, die Regierung zu jagen.

Diese hätte dieser Tage eigentlich Grund zum Feiern. In wenigen Tagen nämlich kann Orbán sein Bergfest begehen; der umstrittene Politiker wurde Ende Mai 2010 zum Premierminister gewählt. Vor zwei Jahren hatte er europaweit Schlagzeilen gemacht, weil seine Fidesz in einem Erdrutsch-Sieg eine satte Zweidrittel-Mehrheit errungen hatte.

Seither macht er europaweit Schlagzeilen, weil er mit seiner Zweidrittel-Mehrheit zu tun versucht, was er angekündigt hatte: das Land und sein politisches System komplett umzubauen. Dafür hat er viel Prügel vom Ausland und auch von der linken Opposition im Inland bekommen, doch die Mehrheit seiner Parteigänger und Wähler, darauf verweist Orbán immer wieder, hätten ihn genau dafür gewählt: die Korruption zu bekämpfen, welche die Linken hinterlassen hätten, die Wirtschaft anzukurbeln und Ungarn wieder stark zu machen - was eine konservative Partei halt so verspricht, wenn sie nach acht Jahren eine sozialdemokratische, nachweislich erfolglose Regierung ablösen will.

Dass Brüssel seither mehrmals nachhakte, dass die USA Demokratiedefizite beklagten, dass der IWF nicht verhandeln wollte - das war und ist den meisten Ungarn eher egal. Aber auch jene, die den schwelgerisch nationalen Ton des Populisten Orbán befürworteten, wollen jetzt Resultate sehen.

Nur: Die Wirtschaft liegt weiter am Boden, die Steuereinnahmen reichen nicht aus, um das Budgetloch zu stopfen, das Vertrauen der Investoren ist nachhaltig beschädigt. Sozialreformen, Kürzungen bei Renten und Arbeitslosengeld, neue Konsumsteuern und steigende Preise schüren die Zweifel an der Omnipotenz der Regierung. Zwar geht die Mehrheit der politischen Analysten immer noch davon aus, dass Orbán wiedergewählt wird, aber die Umfragewerte sinken rapide. Und die Opposition, vor zwei Jahren quasi exekutiert, rappelt sich auf.

Der neue Kurs, die neue Taktik lautet jetzt: Man will Orbán auf dem Feld schlagen, auf dem er selbst zum Kampf antrat: indem man ihm und seinen Anhängern Korruption nachweist. Einst hatte er im Wahlkampf den "Sturz der Oligarchen" angekündigt und vor allem der MSZP grassierende Selbstbedienung vorgeworfen, jetzt wollen seine Gegner sein Image als Saubermann erschüttern. Der Fraktionsführer der LMP, Benedek Javor, verweist darauf, dass die Fidesz-Partei sehr viel mehr Geld für den Wahlkampf ausgegeben habe, als sie offiziell durfte; er vermutet dahinter illegale Parteienfinanzierung.

Tatsächlich hat Orbán gerade erst vorgeschlagen, den ungarischen Parteien 2013 und 2014 keine staatliche Unterstützung mehr zukommen zu lassen - was die Konkurrenz als Indiz dafür wertet, dass Fidesz sich das Geld schlicht anderswo besorge und mit der Aussetzung der Parteienfinanzierung die Demokratie und die Konkurrenz schädigen wolle.

Im Visier der Opposition ist auch, dass sich einige Fidesz-nahe Konzerne auffällig häufig über Staatsaufträge freuen dürfen. Da ist etwa der Unternehmer Lajos Simicska, der hinter dem Baukonzern Közgep steht. Zahlreiche ungarische Medien berichten, zunehmend irritiert, über einen "kometenhaften Anstieg" der Staatsaufträge für Közgep seit der Regierungsübernahme Orbáns; gleiches gilt für das Reklame-Unternehmen Publimont, an dem neben dem Nabob Simicska auch der Millionär Zsolt Nyerges beteiligt sein soll.

Und auch die Brüsseler Antikorruptionsbehörde Olaf ist bereits eingeschaltet: Ein Sprecher bestätigt, dass seine Behörde in Ungarn im Zusammenhang mit der Vergabe beziehungsweise dem Verschwinden von EU-Fördergeldern auch die Rolle des Közgep-Konzerns untersuche. Und auf der Internetplattform Atlatszo.hu. finden sich zahlreiche Korruptionsvorwürfe, die von investigativen Journalisten zusammengetragen werden. Munition gibt es für den Kampf gegen Fidesz also genug.

Untersuchungskommission zu Regierungsaufträgen

Um herauszufinden, ob der Regierungsapparat von Fidesz-nahen Unternehmen als Dankeschön für viele Aufträge heimliche Parteispenden oder auch persönliche Gratifikationen erhält, wurde vergangene Woche die Gründung einer Untersuchungskommission im Parlament in die Wege geleitet. Initiatoren, entgegen vorheriger Ansage, waren die rechtsradikale Jobbik und die linke Opposition - gemeinsam. MSZP-Chef Attila Mesterhazy sieht hinter dem Vorgehen der Regierung System: Orban nutze nicht nur die Möglichkeiten der Staatskasse, sondern auch der Gesetzgebung, um eigene Interessen zu fördern. Steuern würden von ausländischen oder regierungskritischen Unternehmen erhoben und Abgaben eingezogen, um die Konkurrenz zu zerstören. Mesterhazy nennt das: institutionelle Korruption.

Orban hat unterdessen die Halbzeit zum Aufräumen genutzt: neue Minister, neue Steuern, neue Partner im Osten. Offiziell befindet er sich auf Erfolgskurs.

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