SPD und Fiskalpakt:"Ein Nein wäre schizophren"

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Kanzlerin Merkel ist beim Fiskalpakt auf die Stimmen der SPD angewiesen, doch die steckt in einem Dilemma: Ein Ja zur Euro-Rettung würde Schwarz-Gelb stützen, ein Nein der eigenen Überzeugung widersprechen. Und in der Fraktion wächst das Grummeln über den Kuschelkurs zur Regierung.

Susanne Höll, Berlin

Wie tückisch die Auseinandersetzung mit Kanzlerin Angela Merkel über den richtigen Weg zur Euro-Rettung ist, hat die SPD oft erlebt. Eingangs, im Jahr 2010, verweigerten sie den ersten Griechenland-Hilfen die Zustimmung. Nicht weil sie gegen die Unterstützung gewesen wären, im Gegenteil. Sondern weil sich die ganze Bundesregierung damals gegen die von der Opposition geforderte Finanzmarktsteuer sperrte.

Für dieses Votum wurden die Sozialdemokraten kritisiert, was sie als schmerzlich und höchst ungerecht empfanden. Anschließend stimmten sie bislang allen weiteren Euro-Rettungsplänen zu und wurden wiederum gerügt - mit der Begründung, ein solcher Kuschelkurs sei einer Oppositionspartei unwürdig.

Beim Fiskalpakt, über den Regierung und Opposition wohl mindestens bis zur Sommerpause streiten werden, ist die Lage ebenfalls delikat. Anders als bei früheren Hilfsprogrammen kommt es bei der Abstimmung im Parlament tatsächlich auf die Stimmen der SPD an. Die Regierung braucht für dieses Projekt eine Zweidrittel-Mehrheit; ohne die Opposition scheitert das von Merkel ersonnene Abkommen für solides Haushalten in der EU.

Das aber bringt die Sozialdemokraten in die Bredouille. Denn einerseits wollen sie aus sachlichen, aber auch aus parteitaktischen Gründen die Bundesregierung treiben, ihr Zugeständnisse abringen und so gut wie möglich neuen Zwist in der bekanntermaßen labilen schwarz-gelben Koalition entfesseln. Deshalb hat die SPD die Forderung nach einer Finanzmarktsteuer, gegen die sich die FDP stemmt, erneut auf das Tapet gebracht. Und muss entsprechend den politischen Drehbüchern damit drohen, den Fiskalpakt notfalls abzulehnen.

Andererseits können sich SPD-Politiker vom rechten, aber auch vom linken Flügel nicht ernsthaft vorstellen, dass sie tatsächlich im Bundestag den EU-Fiskalpakt ablehnen, wenn nicht alle ihre Forderungen erfüllt werden. Denn die SPD hat als Regierungspartner in der großen Koalition die Schuldenbremse, die eine ordentliche Haushaltspolitik bewirken soll, mit ins Grundgesetz geschrieben. Nichts anderes soll der Fiskalpakt in der EU schaffen.

Ein Nein wäre deshalb "schizophren", sagt ein Sozialdemokrat. Der Fiskalpakt kann auch nur dann in Kraft treten, wenn alle beteiligten Länder ihn ratifizieren. Sollte der Vertrag ausgerechnet in Deutschland scheitern, dem finanziell stärksten Land des Kontinents, das sich bislang stärker als alle anderen gegen Schuldenmacherei eingesetzt hat, dürfte das an den Finanzmärkten neue Turbulenzen auslösen und die Lage der notleidenden Staaten im EU-Süden keinesfalls verbessern, warnen auch sozialdemokratische Experten.

In der Fraktion wächst das Grummeln

Nun werden einige der rot-grünen Forderungen erfüllt werden, so viel steht schon fest. Es wird ein aus umfunktionierten EU-Mitteln gespeistes Wachstumspaket geben und mehr Geld für die Europäische Investitionsbank EIB, die ihrerseits Projekte in Europa anschiebt. Auch ein Programm gegen die erschreckend hohe Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Süden wird die EU auflegen. Demnach wird sich der Streit mit der Regierung in den nächsten Wochen auf die Finanzmarktsteuer konzentrieren. Die soll die Bundesregierung nach dem Willen von SPD und Grünen gemeinsam mit einigen anderen dafür offenen Staaten zügig und auf freiwilliger Basis einführen.

Ohne eine solche Abgabe wäre eine Zustimmung zum Fiskalpakt tatsächlich kaum durchzusetzen, sagen auch engagierte Anhänger des Vertragswerks. Denn in der Fraktion wächst das Grummeln - über die Euro-Politik der Bundesregierung, aber auch über den vergleichsweise friedfertigen Oppositionskurs der SPD. Zwar gebe es noch keine "kritische Masse", die den Fiskalpakt strikt ablehne, heißt es. Aber der Unmut ist spürbar. Deshalb wird nach einem Ventil für den Ärger der Abgeordneten gesucht, der sich vor zwei Wochen schon einmal gezeigt hatte. Gegen die Empfehlung ihres Fraktionschefs Frank-Walter Steinmeier setzte eine Mehrheit von ihnen ein Nein zum neuen Mandat des Anti-Piraten-Einsatzes Atalanta durch.

Das Ventil zum Ärgerablassen könnte eine Terminänderung sein. Merkel will den Fiskalpakt unbedingt gemeinsam mit dem neuen Euro-Rettungsschirm ESM verabschieden, um so die ESM-Gegner in den eigenen Koalitionsreihen zu besänftigen. Diesen Wunsch müsse man nun wirklich nicht auch noch erfüllen, meinen zahlreiche SPD-Parlamentarier. "Für diesen Zeitdruck gibt es keinerlei Grund", sagt etwa der Europa-Experte Michael Roth.

© SZ vom 25.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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