Vorsitzender des Islamischen Kulturzentrums Bremen Habibzada:"Wir stehen zum Grundgesetz"

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Behörden werfen dem Islamischen Kulturzentrum Bremen vor, einen Gottesstaat errichten zu wollen. Im Gespräch mit der SZ verteidigt sich der Vorsitzende. Mohammad Omar Habibzada über Salafisten, warum man Demos mit Mohammed-Karikaturen verbieten sollte, den Umgang mit "Hasspredigern" - und warum Muslime in Deutschland niemanden wählen sollten.

Roland Preuß

Mohammad Omar Habibzada, 34, ist der Vorsitzende des Islamischen Kulturzentrums Bremen (IKZ). Die Moschee gilt als einer der Hochburgen der Salafisten in Deutschland. Gegen Habibzada und den Moscheeverein laufen Ermittlungsverfahren, ein Aussteiger wirft ihm vor, verfassungswidrige Lehren zu verbreiten. Der Deutsch-Afghane arbeitet als Vermittler von Islam-konformen Vermögensanlagen. Im SZ-Interview nimmt der 34-Jährige zu den Vorwürfen Stellung.

Mohammad Omar Habibzada sagt im SZ-Interview: "Wir stehen zum Grundgesetz." (Foto: Klaus Wolschner/taz)

SZ: Herr Habibzada, Salafisten gelten als die neue islamistische Gefahr in Deutschland. In Bonn wurden zwei Beamte kürzlich durch Messerstiche eines 25-Jährigen bei einer Salafisten-Demonstration schwer verletzt. Wie stehen Sie zu den Protesten?

Mohammad Omar Habibzada: Was passiert ist, ist sehr traurig und nicht zu rechtfertigen. Man muss aber berücksichtigen, wie es dazu gekommen ist. Rechtspopulisten haben hier junge Leute eindeutig provoziert. Sie hatten keine Erfahrung mit solchen Situationen. Wenn sie aufgebracht sind, dann sollte der Staat Verständnis dafür haben. Ich will nicht Gewalt rechtfertigen, aber der Staat sollte besonnener mit den Jugendlichen umgehen. Viele von ihnen sind Deutsche oder in Deutschland aufgewachsen, man sollte versuchen sie zu verstehen - und nicht an den Rand zu stellen. Sonst entfremdet eine ganze Generation.

SZ: Hätte der Staat die Demonstration mit Mohammed-Karikaturen verbieten sollen?

Habibzada: Das hätte ich mir gewünscht. Und ich wünsche mir weiterhin, dass der Staat es nicht duldet, wenn eine Religion beleidigt wird. Sowas wie in Bonn verletzt uns Muslime und unsere Würde.

SZ: Warum sollen solche Demonstrationen nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sein?

Habibzada: Jede Freiheit hat Grenzen und diese sehe ich hier erreicht. Man muss Gläubige nicht bis zum Äußersten provozieren, ihre Würde antasten und sich dann auf Meinungsfreiheit berufen.

SZ: Ihre Gemeinde in Bremen gilt Sicherheitsbehörden als eine Hochburg der Salafisten in Deutschland. Gibt es bei ihnen gewaltbereite Islamisten?

Habibzada: Ich lehne diese Einordnung als Salafisten durch die Sicherheitsbehörden strikt ab. Seit unserer Gründung vor mehr als zwölf Jahren werden wir von den Behörden beobachtet. Wenn es Anschuldigungen gibt, dann sind wir bereit, diese vor Gericht zu klären, wir leben in einem Rechtsstaat. Aber derzeit werden wir nur mit Vorwürfen überhäuft, mit dem Ziel, unsere freie Religionsausübung einzuschränken und die Entwicklung einer islamischen Identität zu verhindern.

SZ: Der Salafismus gilt als integrationsfeindlich - wie sehen Sie die Rolle Ihres Kulturzentrums?

Habibzada: Ich finde es unverschämt, wenn der Staat versucht, Überzeugungen zu kategorisieren. Wir leisten viel in unserer Gemeinde, wir rufen unsere Mitglieder dazu auf, mit anderen Menschen Kontakt zu knüpfen, auch mit Nicht-Muslimen. Der Staat kann nur verlangen, dass man Deutsch als gültige Sprache akzeptiert und sich an die Gesetze hält, alle anderen Forderungen halte ich für unberechtigt. Diese Rechte sollten wir als Minderheit haben.

SZ: Was würden Sie als Hauptziel Ihrer Gemeindearbeit bezeichnen?

Habibzada: Wir bringen unseren Mitgliedern vor allem Arabisch und die islamische Kultur nahe, bieten ihnen Gebetsmöglichkeiten und veranstalten religiöse Seminare. Außerdem informieren wir über den Islam.

SZ: Die Behörden werfen dem IKZ vor, gegen die Verfassung zu agieren, etwa durch verfassungsfeindliche Bücher, die Sie vertreiben.

Habibzada: Die Behörden sollen uns die angebliche Verfassungsfeindlichkeit erst mal nachweisen. Wir stehen zum Grundgesetz. Unsere Mitglieder rufen wir auf, sich an die Gesetze zu halten. Und wir vertreiben keine verfassungsfeindlichen Bücher. Wenn in kritisierten Büchern islamische Regeln beschrieben werden, die nicht zu Gesetzen der Bundesrepublik passen, dann geht es um Vorschriften, die in einem islamischen Staat gelten. Das ist nicht als Aufforderung zur Umsetzung in Deutschland gedacht, sondern als Aufklärung über die islamische Sichtweise.

SZ: Ich habe hier ein solches Buch vorliegen, "Missverständnisse über Menschenrechte im Islam" von Abdul-Rahman AlSheha. Kann ich das in Ihrer Moschee erhalten?

Habibzada: Jetzt nicht mehr. Das Buch wurde bundesweit verteilt, dann aber indiziert. Das heißt, es durften nur noch Erwachsene erhalten. Seitdem bieten wir es nicht mehr an, allenfalls vielleicht noch in der Bücherei.

SZ: Gegen das IKZ läuft seit eineinhalb Jahren ein Ermittlungsverfahren des Bundesinnenministeriums, weil die Gemeinde die Errichtung eines islamischen Gottestaates anstrebe.

Habibzada: Seit der Razzia damals war das Innenministerium nicht in der Lage zu sagen, was nun aus dem Verfahren wird. Auch unsere Unterlagen haben wir bis heute nicht zurückerhalten. Unser Ansehen aber hat stark gelitten. Es wäre eigentlich auch Aufgabe der unabhängigen Presse, dazu beim Innenministerium nachzufragen.

SZ: Das Innenministerium gibt zum Stand des Verfahrens keine Auskunft. Gegen Sie läuft aber noch ein weiteres Verfahren wegen des Vorwurfs, mit ihrer Finanzberatungsfirma bei der Vermögensanlage gegen das Kreditwesengesetz verstoßen zu haben, das wäre eine Straftat.

Habibzada: Die Vorwürfe sind haltlos. Selbst Experten streiten sich, ob islamische Finanzwirtschaft unter das Kreditwesengesetz fällt, weil wir ja eigentlich kein Geld weiterverleihen. Auch von der Staatsanwaltschaft haben wir nach der Razzia vergangenen Sommer nichts mehr gehört.

SZ: Zu Ihrer Gemeinde gehörte der als "Hassprediger" bezeichnete Ali M., der 2007 ausreisen musste - welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?

Habibzada: Ali M. ist kein Hassprediger, der Begriff kam im Zusammenhang mit der Debatte über den Bremer Muslim Murat Kurnaz auf. Letztlich hat die Staatsanwaltschaft nie Anklage erhoben. Er wurde wegen seines abgelehnten Asylverfahrens abgeschoben.

SZ: Das Verfahren war ja hinfällig, weil er das Land verlassen hatte. Und er selbst hat nicht geklagt.

Habibzada: Er hätte sich damals gerne einem Gerichtsverfahren gestellt, doch jetzt hat er kein Interesse mehr daran und ihm fehlt das Geld.

SZ: Wie gehen Sie mit Besuchern der Gemeinde um, die durch radikale Äußerungen auffallen?

Habibzada: Normalerweise achten wir sehr darauf. Es kommt vor, dass wir Hausverbote erteilen oder mit der Polizei drohen.

SZ: Bieten Sie persönlich Islamunterricht in der Moschee an?

Habibzada: Ja, möglichst einmal pro Woche.

SZ: Ein ehemaliges Gemeindemitglied hat uns erzählt, Sie lehren dort, die Scharia sei das einzig gültige Gesetz, wichtiger als die Gesetze dieses Landes?

Habibzada: Das habe ich nicht gesagt.

SZ: Haben Sie davon abgeraten, wählen zu gehen?

Habibzada: Ich wurde schon gefragt, ob man die gängigen Parteien hier wählen kann. Meine Antwort ist: nein, denn keine der angebotenen Parteien vertritt die Interessen der Muslime.

SZ: Was müsste eine solche Partei konkret fordern?

Habibzada: Etwa die Anerkennung des Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts und sie muss die realistische Möglichkeit zur Durchsetzung haben.

SZ: Dieses Ziel haben beispielsweise die Grünen im Parteiprogramm stehen.

Habibzada: Mag sein, aber die Grünen haben keine Chance, das durchzusetzen. Eine Erwähnung im Parteiprogramm reicht nicht aus.

SZ: Zum Schluss eine Frage zur Interpretation des Koran: Mit welcher Strafe hat jemand zu rechnen, der vom islamischen Glauben abfällt. Hat er nach wörtlicher Lesart den Tod verdient?

Habibzada: Der Koran darf nicht ohne historischen Kontext interpretiert werden. Die Thematik ist unter verschiedenen Gelehrten des Islams umstritten, hierzu finden sie keine eindeutigen Verse im Koran. Wenn ein Muslim hier in der Bundesrepublik von seinem Glauben abfällt, dann würde ich versuchen, ihn durch Argumente umzustimmen. Aber das ist letztlich seine Entscheidung, wir können nichts dagegen tun - und aus islamischer Sicht ist es auch nicht unsere Aufgabe, etwas dagegen zu tun.

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