Spektakulärer Protest in Würzburg:Asylbewerber nähen sich die Lippen zu

Die Lippen sind zugenäht, trinken können die beiden Männer nur noch mit einem Strohhalm: Zwei Iraner kämpfen in Würzburg für ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge und gegen die Asylbedingungen in Bayern. Doch selbst unter den Asylbewerbern ist diese Form des Protests umstritten.

Olaf Przybilla

Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat wirkt verstört. Fast "aus den Latschen gehauen" habe ihn die Meldung, dass zwei der in Würzburg für ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge kämpfenden Iraner nun erneut in den Hungerstreik getreten sind - und sich aus Protest am Montag sogar die Münder zugenäht haben.

Iraner im Hungerstreik lassen sich Mund zunaehen

Sie kämpfen für ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge: Die beiden Iraner Mohammad Hassanzadeh Kalali (rechts) und Arash Dosthossein haben sich die Lippen zunähen lassen, um ihrem Anliegen Ausdruck zu verleihen.

(Foto: dapd)

Jeder, der den Flüchtlingsrat in den letzten Jahren beobachtet habe, wisse, dass man für Proteste von Flüchtlingen Verständnis zeige und diese auch unterstütze. Diese Form der Eskalation aber, diese Selbstverstümmelung hält der Sprecher der Rates für "das völlig falsche Mittel".

Zumal für sechs der zehn Iraner, die im März erstmals in den Hungerstreik getreten waren, inzwischen Aufenthaltsregelungen getroffen werden konnten, während in drei Fällen noch an Verwaltungsgerichten verhandelt wird, in einem weiteren der Rechtsweg beschritten werden kann.

Ein Teil der protestierenden Iraner habe sich "in körperlicher und geistiger Gesundheit" zum "gezielten und bewussten Kampf" entschlossen, heißt es in einer Erklärung. Freiwillig habe man die Entscheidung getroffen, die Lippen zuzunähen und erneut in den Hungerstreik zu treten, bis Forderungen erfüllt würden.

Offenbar ist das Vorgehen jedoch auch in der Gruppe der Flüchtlinge alles andere als unumstritten: Helfer, die die Iraner in Würzburgs Innenstadt bislang unterstützt hatten, lehnen nun zum Teil Stellungnahmen ab. Und als Sprecher tritt ein anderer Asylbewerber als bisher in Erscheinung.

Er droht damit, dass in drei Tagen ein weiterer Mann sich den Mund an den Rändern zunähen werde, "nach weiteren drei Tagen noch einer". Die Männer hätten leichte Schmerzen und könnten Flüssigkeit nur mit einem Strohhalm zu sich nehmen, sagt er.

Man wolle den Protestes so lange fortsetzen, bis grundsätzliche Forderungen erfüllt seien - die sich nicht nur auf die individuelle Situation beziehen, sondern auch auf die allgemeinen Asylbedingungen in Bayern. Man fordere die sofortige Schließung der Gemeinschaftsunterkünfte und die Abschaffung der Residenzpflicht.

Der Flüchtlingsrat unterstützt solche Forderungen seit langem, hält aber die nun gewählte Form des Protestes für kontraproduktiv: Er hätte Verständnis dafür, wenn sich Politiker "durch solche Aktionen erpresst" fühlten, sagt Alexander Thal. Die Änderung der Asylbedingungen benötigte Zeit, durch maximalen Druck drohten die Flüchtlinge, gewonnene Sympathien wieder zu verspielen.

Es ist bereits das dritte Mal, dass Teile der Gruppe in Hungerstreik treten. Im April hatten die Iraner den ersten Streik nach 17 Tagen beendet, weil Behördenvertreter angekündigt hatten, die Asylgründe der Männer noch einmal neu zu untersuchen.

Nach Auskunft des Bundesamtes für Flüchtlinge ergab die Prüfung in fünf Fällen, dass die Asylbewerber bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland mit Verfolgung rechnen müssten. Sie wurden daher als Flüchtlinge anerkannt. Für einen weiteren Iraner wurde ein Abschiebeverbot festgestellt.

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