Buchautor Gianluigi Nuzzi:Auf Spurensuche im Vatikan

In seinem Buch "Sua Santità" veröffentlichte Gianluigi Nuzzi Dutzende geheime Dokumente aus dem Vatikan und entfachte damit die "Vatileaks"-Affäre. Der Journalist, der für die rechtskonservative Zeitung "Libero" schreibt, sorgt nicht zum ersten Mal mit einem kritischen Buch über den Kirchenstaat für Furore.

Andrea Bachstein, Rom

Er habe nichts gegen den Papst oder die Kirche, sagt Gianluigi Nuzzi. Aber man kann davon ausgehen, dass im Vatikan derzeit zahlreiche Würdenträgern etwas gegen ihn haben und - bei aller Frömmigkeit - zumindest still über ihn fluchen. Mit seinem Buch "Sua Santità" (Seine Heiligkeit) hat der italienische Journalist und Autor Nuzzi die seit Jahresanfang vor sich hin tröpfelnde Affäre um geheime Informationen, die aus dem Vatikan durchsickern, zu einem veritablen Skandal gemacht.

Gianluigi Nuzzi

Gianluigi Nuzzi bestreitet die Vorwürfe Diebstahl und Hehlerei, wegen der der Vatikan gegen ihn vorgehen will.

(Foto: AP)

Dutzende Dokumente, die ihm eine Quelle mit dem Decknamen "Maria" aus dem Inneren des Vatikans zusteckte, hat Nuzzi bisher veröffentlicht, mindestens eines davon aus dem Büro von Benedikt XVI.

Die Bedeutung der Papiere liegt vor allem darin, dass sie überhaupt an die Öffentlichkeit lanciert wurden. Das hatte es bisher so noch nicht gegeben. Entsprechend groß ist die Aufregung um die "Vatileaks"-Affäre. Die Dokumente lassen auf ganz unbrüderliche Konflikte im Regierungsapparat des Kirchenstaates schließen, mit dem umstrittenen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone im Zentrum. Die Vorgänge waren zumeist bekannt, nun sind sie bestätigt oder in Einzelheiten erhellt worden.

Weitere freiwillige Informanten

Vieles betrifft inneritalienische Angelegenheiten. So veröffentlichte Nuzzi ein Schreiben des für Außenpolitik zuständigen Bischofs Dominique Mamberti vor einem Gespräch des Papstes mit Italiens Staatspräsidenten. Mamberti kritisiert darin bestimmte italienische Gesetzespläne, weil sie der kirchlichen Ethik widersprächen. Nuzzi hält das für eine brisante Einmischung. Aber abgesehen davon, dass der Präsident nur verfassungswidrige Gesetze ablehnen kann und nicht bekannt ist, ob der Papst ihn überhaupt darauf ansprach - man könnte den Vorgang auch für normal halten: In jeder Staatsbürokratie werden vor Treffen von Staatsoberhäuptern Schreiben zu Themen und Konfliktpunkten verfasst.

Dennoch ist es erstaunlich, wie viele vertrauliche Papiere Nuzzi erhielt. Der Vatikan hat angekündigt, er erwäge, juristisch gegen ihn wegen des Verdachts auf Diebstahl und Hehlerei vorzugehen. Bisher ist das nicht passiert, und Nuzzi bestreitet beides: Er habe nur freiwillig gelieferte Informationen benutzt. Dass Geld von Nuzzi an "Maria" geflossen ist, dafür gibt es bislang keine Hinweise.

Und dass es im Vatikan Informanten gibt, die freiwillig Papiere herausgeben, hat sich erst am Wochenende bestätigt: Da bekam die Zeitung La Repubblica Dokumente zugespielt - samt der Ankündigung, die Indiskretionen würden weitergehen, bis Bertone entmachtet sei.

Nuzzi arbeitet für die rechtskonservative Zeitung Libero, sein kahler Schädel ist einem größeren Publikum zudem vertraut aus seiner renommierten Fernsehsendung. Schon einmal hat der 43-Jährige mit einem investigativen Buch über den Kirchenstaat Furore gemacht: 2009 veröffentlichte er "Vatikan AG", in dem er die Machenschaften des vatikanischen Geldinstituts IOR ausleuchtete. Es ist anzunehmen, dass Nuzzi auch damals von Paolo Gabriele beliefert wurde, dem treulosen Diener des Papstes, der derzeit im Arrest der Vatikan-Gendarmerie sitzt - aber sicher nicht der Einzige ist, der Vatileaks gespeist hat.

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