Gouverneur Scott Walker:Volkes Zorn auf den "Mussolini des Mittleren Westens"

In Wisconsin soll Gouverneur Scott Walker per Volksabstimmung entthront werden. Der erzkonservative Abtreibungsgegner wollte Gewerkschaften das Recht nehmen, Tarifverträge auszuhandeln. Die Kampagne der Demokraten ruft allerdings auch die Gegenseite auf den Plan: Konservative Großspender aus ganz Amerika unterstützen Walker.

Christian Wernicke, Washington

Seine Anhänger verehren Scott Walker als "Freiheitskämpfer", manche seiner republikanischen Freunde malen dem Mann mit den bubenhaften Gesichtszügen bereits eine Zukunft im Weißen Haus von Washington aus. Aber ebenso zieht Walker Hass auf sich: Seine Gegner im ansonsten eher beschaulichen Bundesstaat Wisconsin sehen in dem 44-jährigen Gouverneur einen "Musterschüler der Tea-Party-Bewegung" oder sogar "den Mussolini des Mittleren Westens" - und wollen ihn nun, nach nicht einmal 18 Monaten an der Macht, per Volksabstimmung aus dem Amt jagen.

Wisconsin Governor Scott Walker Campaigns Ahead Of Recall Election

Wahlkampf für das Amt des Gourverneurs: Scott Walker begrüßt seine Anhänger bei einer Veranstaltung in Wisconsin.

(Foto: AFP)

Das politische Amerika blickt gespannt in die Provinz. Denn das Ergebnis in einem Bundesstaat, in dem Wechselwähler über Jahrzehnte abwechselnd rechte wie linke Mehrheiten schufen, gilt als Test für die Präsidentschaftswahl im November. Umfragen bescheinigten Scott Walker wochenlang beste Chancen, das von den Gewerkschaften und den Demokraten initiierte Votum zu überleben.

Zuletzt jedoch schmolz der Vorsprung, ein Stimmungstest von voriger Woche ergab, dass Walkers Gegenkandidat Tom Barrett nur noch drei Prozentpunkte hinter ihm liegt. Und alle Wählerbefragungen bestätigen, wie tief gespalten das Volk ist: Nur einer von jeweils 50 wahrscheinlichen Wählern gab an, er wisse noch nicht, ob er für oder gegen Walker stimmen werde.

Reihenweise erzählen Bürger, der Zank um ihren Gouverneur habe langjährige Freundschaften zerstört, Familien zerrissen und sogar Ehen zerrüttet. In einem Extremfall soll eine Frau ihren Ehemann absichtlich mit dem Auto angefahren haben: Der Gatte hatte ihr den Weg versperren wollen, als sie im Mai zur demokratischen Vorwahl eilen wollte.

Seit fast eineinhalb Jahren tobt in Wisconsin der Kulturkampf. Scott Walker, bis dato ein kaum bekannter Kreisrat aus den konservativen Suburbs von Milwaukee, hatte für die Republikaner die Gouverneurswahl klar gewonnen - und machte sich im Februar 2011 daran, wie versprochen den Haushalt drastisch zu kürzen. Doch Walker, der als evangelikaler Christ Abtreibung ebenso geißelt wie er als Tea-Party-Aktivist jedwede Steuererhöhung verdammt, ging noch weiter: Per Haushaltsgesetz wollte er den Gewerkschaften fast alle Rechte streichen, künftig im Namen der öffentlichen Angestellten Tarifverträge auszuhandeln.

Den Angriff auf ihre Rechte beantworteten die Trade Unions mit wochenlangen Protesten, Sitzblockaden im Parlament, Gerichtsklagen - und schließlich mit einem Volksbegehren: Ungefähr jeder fünfte der insgesamt 5,7 Millionen Einwohner von Wisconsin unterschrieb eine Petition, die nach nur zwölf Monaten Amtszeit Walkers Abwahl verlangte. Die Republikaner mobilisierten eine landesweite Kampagne zur Verteidigung ihrer gerade eroberten Bastion.

Obama hält sich raus

Konservative Großspender aus ganz Amerika steckten Schecks im Wert von bis zu 500.000 Dollar in Walkers Wahlkampfkasse, das gesamte Establishment der Grand Old Party inklusive Präsidentschaftskandidat Mitt Romney solidarisierte sich mit dem neuen Helden der Partei. Mehr als 30 Millionen Dollar hat der Gouverneur in der Kriegskasse, zudem stehen ihm konservative Aktionskomitees mit teuren TV-Spots bei. Wisconsin, das zwar mehrfach republikanische Gouverneure hatte, aber seit 1984 stets für einen Demokraten als Präsidenten stimmte, gilt Amerikas Rechten neuerdings als "fruchtbarer Boden": Von hier stammt nicht nur Paul Ryan, im Kongress zu Washington ihr wirtschaftspolitischer Chefideologe, sondern auch Reince Priebus, der Parteimanager.

Ein historisch bewanderter Demoskop in Washington verglich den aktuellen Kampf um Wisconsin mit dem Spanischen Bürgerkrieg unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg: "Beide Lager testen dort ihre Waffen und Bataillone." Falls Scott Walker das Votum an diesem Dienstag überlebt, werde der Bundesstaat, den Barack Obama 2008 noch mit 14 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen hatte, in das Fadenkreuz der Romney-Kampagne für die Präsidentschaftswahl im November rücken.

Anders als die führenden Republikaner hat sich Barack Obama nicht eingemischt in die Schlacht im Mittleren Westen. Offenbar fürchtete der Präsident lange, bei einer Niederlage einen Imageschaden zu erleiden. Wenig spektakulär, aber überaus aktiv nutzen jedoch auch die Demokraten die Volksabstimmung dafür, eine Wahlkampforganisation aufzubauen - und für die Entscheidung im November einem Härtetest zu unterwerfen. Freunde wie Feinde von Scott Walker sind wild entschlossen, der Rest ist Logistik: Gewinnen wird jenes Lager, das es bis Dienstagabend schafft, die meisten Anhänger an die Wahlurnen zu bringen.

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