US-Präsident verliert Stimmungstest:Obamas verheerende Pleite in der Provinz

Der Sieg des republikanischen Gouverneurs Walker in Wisconsin sorgt für Ernüchterung im Weißen Haus. Der US-Präsident hat einen wichtigen Stimmungstest verloren. Jetzt ist auch dem optimistischsten Demokraten klar: Der bislang blasse Mitt Romney könnte Barack Obama im November tatsächlich schlagen.

Matthias Kohlmaier

US-Präsident Barack Obama twittert gern und viel. Aber im Moment tut sich nicht viel auf dem Twitter-Account des wohl mächtigsten Mannes der Welt. Kein Dank an Parteifreund Tom Barrett, der - trotz großem Einsatz - beim Versuch, Gouverneur von Wisconsin zu werden, zum zweiten Mal gescheitert ist. Kein Einräumen einer schmerzlichen Niederlage, nichts.

Wisconsin Gov. Walker Holds Recall Election Night Gathering

Scott Walker hat, als erster Gouverneur in der Geschichte der USA, das Abwahlverfahren gegen ihn überstanden und bleibt damit erster Mann in der Wisconsin Governor's Mansion in Maple Bluff, einem Vorort von Madison.

(Foto: AFP)

Die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfs beginnt für Obama mit einer bitteren Pleite, der er offenbar möglichst wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen will.

Ganz anders die Republikaner: "Heute Nacht haben wir Wisconsin, unserem Land und den Menschen auf der ganzen Welt gezeigt, dass die Wähler Führungspersonen haben wollen, die für eine Sache einstehen und schwierige Entscheidungen treffen", sagte Wisconsins Gouverneur Scott Walker in der Nacht. Er hatte gerade das von den Demokraten gegen ihn initiierte Abwahlverfahren überstanden - und bleibt erster Mann in Wisconsin.

"Walker hat überlebt", titelten nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse gleich mehrere amerikanische Medien. Nach Auszählung nahezu aller Stimmen erhielt Walker laut New York Times 53,2 Prozent Zustimmung, für seinen demokratischen Herausforderer Tom Barrett votierten 46,3 Prozent der Wähler.

Dabei konnte es zum Abwahlverfahren gegen Walker nur kommen, weil der sich an einem ureigenen Thema der Obama-Kampagne zu schaffen gemacht hatte: der sozialen Gerechtigkeit. Im Zuge von Haushaltskürzungen hatte Walker den Gewerkschaften seines Staates quasi jedes Recht absprechen wollen, für die Angestellten im öffentlichen Dienst Tarifverträge auszuhandeln. Die Trade Unions strengten ein Volksbegehren an und versuchten schließlich, Walker aus dem Amt zu jagen. Ohne Erfolg, wie sich gezeigt hat.

Dadurch hat sich in dem für die Präsidentschaftswahl am 6. November wichtigen Bundesstaat die Lage grundsätzlich geändert: Obama kann sich nicht mehr sicher sein, zu gewinnen. Er wird um den swing state Wisconsin kämpfen müssen. Dabei hatten die Wähler dort im Mittleren Westen bei den vergangenen Wahlen zumeist den demokratischen Präsidentschaftskandidaten unterstützt, 2008 gewann Barack Obama die zehn Wahlmänner Wisconsins sogar mit 14 Prozentpunkten Vorsprung. Bei den Gouverneuren in den vergangenen 50 Jahren ist das Verhältnis im Badger State (Dachs-Staat) jedoch ausgeglichen: fünf waren Demokraten, fünf Republikaner.

Ein guter Tag für Mitt Romney

Mut machen dürften Obama jedoch die Ergebnisse mehrerer Nachwahlbefragungen. Demnach gab fast jeder fünfte Walker-Unterstützer an, dass er im November seine Stimme Obama geben wolle. Insgesamt lag Obama in Wisconsin mit einer Zustimmmung von 51 Prozent deutlich vor seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney, den aktuell 44 Prozent der Bürger wählen würden.

Trotzdem: Für Romney war es ein guter Tag auf dem Weg Richtung Präsidentschaftswahl. Er gewann nicht nur die republikanischen Vorwahlen in Kalifornien, New Jersey, New Mexico, South Dakota und Montana deutlich. Die Bestätigung Walkers als Gouverneur von Wisconsin zeigte auch: Eine gutgefüllte Wahlkampfkasse kann über Sieg und Niederlage entscheiden.

Demokraten setzen auf "ground game"

Im Vorfeld des Votums von Wisconsin war Scott Walker von mehreren republikanischen Geldgebern finanziell üppig ausgestattet worden. Am Ende soll sein Wahlkampf laut Washington Post 45,6 Millionen Dollar gekostet haben, Barrett investierte dem Bericht zufolge nur 17,9 Millionen. Für amerikanische Demoskopen ist die hohe Summe, die Walker zur Verfügung stand, ein Fingerzeig, wie viel Geld die Super-Pacs bis November für Romney einsammeln könnten.

Die Demokraten setzten, auch aufgrund des finanziellen Ungleichgewichts, im Wahlkampf von Wisconsin auf das sogenannte ground game. Das bedeutet: Viele Anrufe und Hausbesuche, um die Wähler von den eigenen Positionen zu überzeugen. Ähnlich wird es im Präsidentschaftswahlkampf laufen.

Romney verspürt hingegen Rückenwind. Er zeigte sich hochzufrieden mit dem Ausgang des Urnenganges in Wisconsin: "Gouverneur Walker hat gezeigt, dass Bürger und Steuerzahler zurückschlagen und sich durchsetzen können." Die Wähler hätten "in dieser Nacht 'nein' zu müden, liberalen Ideen und 'ja' zu fiskaler Verantwortung und einer neuen Ausrichtung" gesagt.

Obama hält sich zurück

Barack Obama hatte sich aus dem Wahlkampf - sehr zum Verdruss der ortsansässigen Demokraten - weitestgehend herausgehalten. Seine Zurückhaltung wurde unterschiedlich interpretiert. Obama wolle bei einer Niederlage Barretts nicht beschädigt in die heiße Phase des Wahlkampfs gehen, sagten die einen. Die New York Times vermutete, Obama ergreife nicht allzusehr Partei, um die unentschlossenen Wähler Wisconsins nicht zu vergraulen und sich am Ende deren Stimmen im November sichern zu können. Dann, wenn es wirklich wichtig wird.

Die Abstimmung in Wisconsin hat jedenfalls bewiesen: Der vor Monaten noch als leichter Gegner eingeschätzte Romney könnte Obama im Kampf um das Weiße Haus wirklich gefährlich werden. Eine aktuelle Umfrage sieht den Kandidaten der Grand Old Party nur noch 3,0 Prozentpunkte hinter Amtsinhaber Obama.

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