Ehrenamtliche Parteispitze:Erschöpfte Piraten fürchten den Kollaps

Der ehemalige Schatzmeister der Piraten warnt vor dem Ende der Partei, sollte die Organisation weiterhin ausschließlich ehrenamtlich geführt werden. Während nun eine Debatte über die Bezahlung des Vorstands beginnt, erhebt ein ehemaliger Pressesprecher schwere Vorwürfe. Die Rede ist von Mobbing und "Schlägen mit einem LAN-Kabel".

Kann Geld den Ober-Piraten dabei helfen, dem öffentlichen Druck länger stand zu halten? Nachdem in den vergangenen Wochen und Monaten einige bekannte Akteure der Partei ihren Rückzug erklärt hatten, scheint eine Debatte über die Bezahlung des Parteivorstands zu beginnen.

Bundesparteitag Piratenpartei

Parteitag der Piratenpartei (Archivbild aus dem Jahr 2011): Viel Ehrenamt, viel Arbeit.

(Foto: dapd)

Der frühere Schatzmeister René Borsig warnte in der Berliner Zeitung, die Partei mit ihren 30.000 Mitgliedern lasse sich nicht mehr allein ehrenamtlich führen und stehe vor dem Kollaps, würden nicht professionellere Strukturen geschaffen.

Ein Gehalt für hauptamtliche Mitarbeiter würde allerdings eine Abkehr vom Ehrenamtsprinzip der Piraten bedeuten. Die neue Piraten-Sprecherin Anja Möllering erklärte im Gespräch mit Spiegel Online, man sei sich "des Handlungsbedarfs bewusst." Allerdings habe man "schlichtweg kein Geld für eine Riege hauptamtlicher Mitarbeiter." Man wolle deshalb auf Fundraising und Sponsoren setzen, aber auch bezahlte Mitarbeiter als Assistenten des Vorstands einstellen.

Möllering ist eine von nur zwei bezahlten Kräften in der Partei, für weitere Stellen fehlt das Geld. Deswegen arbeiten alle anderen ehrenamtlich, oft Vollzeit. Die Arbeitsüberlastung macht sich bemerkbar: So kandidierte etwa die populäre politische Geschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, auf dem Parteitag im April nicht erneut für ihr Amt. Sie will nun zunächst ihr Psychologie-Studium beenden. Auch der Schatzmeister der Piraten, René Brosig, zog sich aus Überlastung zurück.

Ex-Pressesprecher erhebt schwere Vorwürfe

Auch interne Querelen scheinen dem Personal zuzusetzen: Christopher Lang gab vor wenigen Tagen sein Amt als Pressesprecher der Bundespartei auf und erhebt nun schwere Vorwürfe. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) spricht Lang von Zwist und Bösartigkeiten im Wettbewerb um Posten.

Es gebe mehrere Fälle von "Mobbing", sagt der 25-Jährige. Er selbst sei beispielsweise von einem Fraktionsmitglied der Berliner Piraten öffentlich beschimpft und auf einer Landesmitgliederversammlung "mit einem Lan-Kabel geschlagen" worden. Laut FAZ weist der betroffene Abgeordnete die Vorwürfe zurück.

Lang, den sein Facebook-Profil als "Libertin" und noch immer als "Bundespressesprecher der Piratenpartei Deutschland" ausweist, kritisiert im Gespräch mit der Zeitung außerdem, dass die Parteispitze ihm ohne Angaben von Gründen das Vertrauen entzogen und seine Kündigung am vergangenen Freitag öffentlich gemacht hatte. Dies habe einen freiwilligen Rückzug von seinem Amt unglaubwürdig erscheinen lassen.

"Müde, ausgepowert und erschöpft"

In einem offenen Brief hatte Lang in der vergangenen Woche seinen Rücktritt bekanntgegeben. "Ich kann nicht mehr, bin für den Moment müde, ausgepowert und erschöpft!", schrieb er. Die ehrenamtliche Arbeit sei "neben einem normalen Job, einem angemessenen Familienleben und einer grundlegenden gesellschaftlichen Teilhabe" nicht zu schaffen.

Sein Stellvertreter Aleks Lessmann verkündete kurz darauf ebenso seinen Rücktritt und wählte deutlichere Worte als Lang: "Criss hat die Arbeit mit Professionalität und konstruktivem Verhalten geprägt. Dieser immens wichtige Teil der Pressearbeit fällt jetzt weg", begründet er seinen Rückzug. Seine Arbeit sei "mit dem noch vorhandenen Personal nicht mehr machbar."

Die Piraten hatten erst kürzlich eine Pressesprecherin auf 800-Euro-Basis eingestellt, die Lang noch einlernen sollte.

Ihrem Ärger Luft macht zeitgleich die Piratin Gefion Thürmer, die bis vor kurzem als Presskoordinatorin für den Bundesvorstand tätig war und im April nicht wieder in das Führungsgremium gewählt wurde. Die Parteispitze habe zum Teil "aktiv destruktiv" in die Pressearbeit eingegriffen, klagt Thürmer in ihrem Blog. Das Team sei "angepampt" worden, statt motiviert zu werden. Die Personalentscheidungen beruhten nicht auf "fachlicher Expertise, sondern auf Politik und persönlichen Präferenzen".

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