Volvo V40:Shootingbrake statt Stufenheck

Statt S40-Limousine und V50-Kombi bietet Volvo künftig mit dem V40 in der unteren Mittelklasse ein coupéhaftes Schrägheck an. Audi A3 Sportback, BMW 1er und Mercedes A-Klasse heißen die Gegner.

Georg Kacher

Volvo gehört seit 2010 zum chinesischen Geely-Konzern, doch der Anstoß zum V40 erfolgte noch zu jener Zeit, als Ford in Göteborg den Ton angab. Deshalb teilt sich das kompakte V-Modell, das mehr sein will als nur ein Kombi, das Genmaterial zumindest teilweise mit dem Focus. Der erste komplett in Eigenregie entwickelte Volvo, der Nachfolger des XC90, startet 2014 auf der neuen Skalierbaren Plattform Architektur (SPA).

Auf Nummer sicher

Der V40 hat vor allem den Audi A3 Sportback, die Mercedes A-Klasse und den viertürigen BMW Einser im Visier.

(Foto: STG)

Der V40 hat vor allem den Audi A3 Sportback, die Mercedes A-Klasse und den viertürigen BMW Einser im Visier. Radstand und Länge entsprechen dem aktuellen Ford Focus, aber der Kofferraum ist mit 335 Litern nur Mittelmaß. Der noch unter der Leitung von Steve Mattin (jetzt bei Lada) gestaltete Wagen überzeugt durch ein gefälliges, windschlüpfiges und funktionelles Design. Die markentypische Stilsicherheit setzt sich im Innenraum fort, wo hochwertige Werkstoffe und geschmackvolle Farben vorherrschen. Nur die Ergonomie lässt teilweise zu wünschen übrig, denn auch dieser Volvo verwendet die veraltete Mittelkonsole mit zu vielen Knöpfen und Tasten und zu wenigen intuitiven Bedienungselementen. Der Direktzugriff mit zentralem Controller sowie erweiterter Sprach- und Gestensteuerung kommt erst im Rahmen von SPA.

Wer mag, kann den V40 bis unters Dach mit Assistenzsystemen vollpacken. Kaum ein Augenblick vergeht, ohne dass uns dieses Auto nicht durch Fiepen, Blinken oder Vibrieren darauf hinweist, dass es die Lage stets im Griff hat. Der Spurhalteautomat korrigiert bei Bedarf den Lenkeinschlag, die Einparkhilfe kurbelt das Auto selbsttätig in die engste Lücke, ein Müdigkeitssensor überwacht die Bewegungsmuster des Fahrers und animiert gegebenenfalls zum Zwangsstopp, Radarsensoren warnen beim Spurwechsel vor nachfolgenden Fahrzeugen und beim Ausparken vor Querverkehr, der aktive Tempomat wahrt Distanz zum Vordermann, der Notbremsassistent mit Fußgängererkennung kann Leben retten.

Zahlreiche neue Sicherheitsoptionen

Sollte es dennoch zu einer Kollision kommen, hebt ein großflächiges Luftkissen die Motorhaube an der Frontscheibenwurzel an und mindert die Folgen des Aufpralls. Der automatische Bremseneingriff soll in der Stadt bis Tempo 50 und bei einer Geschwindigkeitsdifferenz von bis 35 km/h zwischen zwei Fahrzeugen Unfälle vermeiden oder zumindest die Folgen deutlich abschwächen. Ebenfalls neu sind der serienmäßige Knie-Airbag, die Kombination aus Verkehrszeichenerkennung und Tempowarner sowie die Fernlichtautomatik.

Sie merken schon: Dieser Volvo nimmt die Dinge gerne selbst in die Hand. Selbst dort, wo der Fahrer eigene Prioritäten setzen darf, gibt das Fahrzeug die Wahlmöglichkeiten vor. Das gilt zum Beispiel für die verstellbare Lenkungskennung, die wie fast alle Systeme im Untermenü My Car abgelegt ist. Low eignet sich bestenfalls als Einparkhilfe für muskelschwache Steuerleute, und auch Medium vermittelt trotz etwas steiferer Kalibrierung nicht wirklich genug Fahrbahnkontakt. Nur in Position High stimmt die Balance zwischen Kraftaufwand und Rückmeldung.

Die nächste Entscheidungsfindung betrifft das Zentraldisplay, das (ebenfalls gegen Aufpreis) drei verschiedenen Stimmungslagen Ausdruck verleiht. Elegance beschreibt das herkömmliche Instrumentarium, Performance taucht die Anzeigen in ein aggressives Rot, Eco will den Fahrer zum Spritsparen erziehen. Das kommt uns bekannt vor: der Nissan Leaf lässt blaue Bäume wachsen, der Toyota Prius setzt Balkendiagramm-Denkmale, im Honda Civic Hybrid blühen Blumen, und der V40 belohnt Gaspedal-Streichler mit einem grünen Eco-Symbol. Gleichzeitig kann man als Ansporn den aktuellen Momentan- und Durchschnittsverbrauch ablesen, der im D2 selbst über längere Strecken deutlich unter 4,0 Liter liegen soll. Dafür konsumiert ein engagiert bewegter T5 auch schon mal 15 Liter und mehr.

Vier Benziner und drei Diesel als Motoren

Das Motorenangebot umfasst vier Benziner und drei Diesel. Der stärkste T5 ist ein 2,5-Liter-Fünfzylinder mit 254 PS, der im Overboost-Modus 400 Newtonmeter mobilisiert. Die gleiche Maschine gibt es auch als 2,0-Liter-Aggregat mit 213 PS und 300 Newtonmeter. Der 1,6-Liter-Turbo leistet im T3 150 PS und im T4 180 PS. Die Drehmomentkurve gipfelt während der kurzen Overboost-Phase in beiden Fällen bei 270 Nm. Im D2 tut ein 1,6-Liter-Diesel mit 115 PS und 270 Newtonmetern Dienst, im D3 kommt ein 150 PS / 400 Newtonmeter starker 2,0-Liter-Fünfzylinder zum Einsatz, im D4 leistet der gleiche Antrieb 177 PS.

Für T4 und D2 bekommt man auf Wunsch das Powershift-Doppelkupplungsgetriebe, für T5, D4 und D3 ist ein Sechsgangautomat im Angebot. Der D2 begnügt sich im Schnitt mit 3,6 Liter, was einem CO2- Wert von 94 g/km entspricht. Am anderen Ende der Skala tobt der 250 km/h schnelle T5 in 6,5 Sekunden von null auf 100 km/h und verbraucht im EU-Mix 7,7 Liter. Alle gefahrenen Motoren gefallen in Bezug auf Leistung, Kraftentfaltung und Laufruhe, doch das Comeback der fast vergessenen Turbo-Gedenksekunde (Benziner) und die teilweise ausgeprägte Anfahrschwäche (Diesel) trüben den souveränen Gesamteindruck.

Die Preise reichen von knapp 25.000 Euro für D2 und T3 bis fast 35.000 Euro für den D4 mit Topausstattung. Für Leder, 18-Zoll-Alufelgen, Rückfahrkamera, Xenon, Navigation, aktiven Tempomat und Soundsystem ist in Summe (und in Verbindung mit den teilweise deutlich günstigeren Paketen) ein Zuschlag von rund 7000 Euro fällig. Das ist viel Geld - aber bei Volvo zahlt man immer noch weniger als bei den deutschen Premiumanbietern. Die Kaufentscheidung fällt zwangsläufig dort, wo sich die Spreu vom Weizen trennt: auf der Straße. Hier macht der V40 nicht nur aufgrund der optionalen Breitreifen eine gute Figur.

Der V40 lässt wenig vermissen

Erstaunlicherweise leidet der Federungskomfort kaum unter den 18-Zöllern, die viel Grip aufbauen und auch beim Bremsen Pluspunkte sammeln. Nur in Verbindung mit dem tiefergelegten Sportfahrwerk ist es mit der Grundgeschmeidigkeit der flankensteifen XXL-Gummis nicht weit her. Zu den Stärken des V40 gehören die flüssig-progressiven Bewegungsabläufe; die harmonische Gewichtung von Gas, Bremse, Kupplung und Lenkung; das neutrale Eigenlenkverhalten ohne Lastwechselkick und Lenkradzerren; der gleichermaßen talentierte Umgang mit schnellen Autobahnkurven und Erster-Gang-Haarnadeln.

Schwächen? Schaltpaddel am Lenkrad und verstellbare Dämpfer wären eine feine Sache; der übereifrige Elektronik-Filter in Lenkung, Stabilitätsprogramm und Schlupfregelung dimmt die Dynamik im Grenzbereich; der Bremse fehlt im engen Kurvengeschlängel der letzte Biss. Dafür bringt Volvo den V40 schon bald als speziell für Europa zugeschnittenen Diesel-Plug-in-Hybrid, und auf dem Pariser Salon im Oktober steht mit dem XC40 Crossover bereits die nächste Modellvariante - weitere werden folgen.

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