Britischer Premier Cameron kommt nach Berlin:Besuch des Isolierten

David Cameron gilt auf europäischer Ebene als isoliert. Am Donnerstag trifft er im Kanzleramt auf Angela Merkel, um über die Euro-Krise zu diskutieren. Um in Europa wieder politischen Einfluss zu gewinnen, soll sich der britische Politiker Unterstützung von US-Präsident Obama geholt haben.

Johannes Kuhn

Die Konstellation entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Noch vor wenigen Monaten galt der britische Premierminister David Cameron auf europäischer Ebene als Politiker ohne viele Verbündete - am Donnerstag trifft er nun im Berliner Kanzleramt für eine Podiumsdiskussion und Gespräche mit Angela Merkel zusammen, die mit ihren Positionen zur Euro-Rettung inzwischen ihrerseits international immer deutlicher kritisiert wird.

Britischer Premier Cameron kommt nach Berlin: Der britische Premierminister David Cameron vor seinem Amtssitz in London: Am Donnerstag trifft Cameron in Berlin auf Angela Merkel.

Der britische Premierminister David Cameron vor seinem Amtssitz in London: Am Donnerstag trifft Cameron in Berlin auf Angela Merkel.

(Foto: AP)

Camerons Ablehnung einer Fiskalunion beim EU-Gipfel im Dezember 2011 galt als Zäsur, viele Beobachter witterten sogar den Anfang vom Ende der britischen EU-Mitgliedschaft. Der Tory-Politiker hatte sich im Bestreben, den Finanzplatz London vor der europäischen Regulierung zu schützen, beim Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs verpokert.

An der britischen Isolation auf EU-Ebene hat sich inzwischen wenig geändert, doch Cameron dürfte durchaus mit Genugtuung mitansehen, wie der Fiskalpakt nun auch Merkel in Bedrängnis bringt. Länder wie Italien und Frankreich, die den deutschen Kurs lange mitgetragen hatten, begehren nun offen gegen die eiserne Sparpolitik der Kanzlerin auf und verlangen Nachbesserungen.

Großbritanniens Euro-Einmischung

Frankreichs Präsident Hollande drängt auf mehr Investitionen für größeres Wirtschaftswachstum, Italiens Premier Mario Monti will, dass Banken direkt Geld aus dem europäischen Stabilitätsmechanisms ESM erhalten. Dazu wird der Ruf nach Eurobonds lauter, bei denen die Mitgliedsstaaten gemeinsam für die Schulden einzelner Länder haften.

Vor allem Eurobonds wären im Sinne Camerons: Diese könnten in den Augen Londons die Eurozone stabilisieren, würden aber gleichzeitig keinerlei Risiko für Großbritannien beinhalten. Mitte Mai erklärte der Premier seine Vorliebe für eine solche Lösung nicht nur öffentlich in einer Grundsatzrede, sondern legte sie Hollande und Merkel auch eindringlich wie selbstbewusst in einer Videokonferenz nah. Die Eurobonds-Offensive wurde in Berlin und Paris allerdings mit Erstaunen wahrgenommen und als Einmischung in innere Angelegenheiten der Euro-Zone gewertet.

Dass Camerons Isolation auf absehbare Zeit enden könnte, ist nicht zu erwarten. Bei der Ablehnung einer Finanztransaktionssteuer findet Großbritannien mit Schweden, den Niederlanden und Irland nur wenige Mitstreiter. Das Verhältnis zu Frankreichs neuem Präsidenten gilt als angespannt, seitdem Cameron sich weigerte, Hollande noch während des Wahlkampfes zu empfangen.

Hat Cameron die Unterstützung Obamas?

Um nicht ganz alleine dazustehen, soll sich Cameron vor dem morgigen Treffen in Berlin Unterstützung von US-Präsident Obama geholt haben. In einem Telefongespräch am Dienstag habe man sich laut eines Regierungssprechers darauf geeinigt, "dass jetzt ein Plan notwendig ist, um die Krise anzugehen und das Vertrauen der Märkte wiederzuerlangen". Genauso sei eine "langfristige Strategie" wichtig, um eine starke Gemeinschaftswährung zu sichern.

Ob Obama vor dem G-20-Gipfel am 18. und 19 Juni wirklich die Konfrontation mit Merkel sucht, ist allerdings trotz entsprechender britischer Medienmeldungen nicht gesichert. Das Weiße Haus bezeichnete das Gespräch der beiden als Teil eines "regelmäßigen Austausches" und auch gut informierte Beobachter des Washingtoner Politikbetriebs haben bislang noch nicht wahrgenommen, dass Obama den sanften Druck auf Merkel deutlich erhöhen würde.

Hinweis: Vor dem Treffen zwischen Merkel und Cameron diskutieren die beiden Politiker im Kanzleramt am Donnerstag mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg über politische Beteiligung, Öffnung und Transparenz im Zeitalter. Süddeutsche.de berichtet über die Veranstaltung ab 13:30 Uhr im Livestream.

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