Datensammeln bei Facebook und Twitter:Aigner warnt Schufa vor "Big Brother"-Methoden

"Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden": Verbraucherschutzministerin Aigner kritisiert die Schufa scharf. Die Wirtschaftsauskunftei will unter anderem bei Facebook und Twitter gezielt Daten sammeln - um die Kreditwürdigkeit der Nutzer zu überprüfen.

Für Datenschützer ist es eine "Grenzüberschreitung", für die Schufa geht es um die Sicherung der "Qualitätsführerschaft": Deutschlands größte Auskunftei will in sozialen Netzwerken wie Facebook und aus anderen Quellen im Internet gezielt Daten über Verbraucher sammeln.

Schufa will Facebook durchsuchen

Spione bei Facebook? Die Wirtschaftsauskunftei Schufa will gezielt Informationen über Verbraucher in dem sozialen Netzwerk sammeln.

(Foto: dpa)

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner kritisiert das Vorhaben scharf und fordert rasche Aufklärung von dem Unternehmen. "Es kann nicht sein, dass soziale Netzwerke systematisch nach sensiblen Daten abgegrast werden, die dann in Bonitätsbewertungen von Kunden einfließen", sagte die CSU-Politikerin dem Münchner Merkur. Dies würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung massiv verletzen. "Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden", sagte Aigner.

Aufgabe der Schufa sei die Prüfung der Kreditwürdigkeit, und dazu müssten die Finanzdaten reichen. "Inhalte und Äußerungen in sozialen Netzwerken dürfen nicht von Auskunfteien missbraucht werden". Daran müssten auch die Betreiber dieser Netzwerke ein großes Interesse haben, von ihnen erwarte sie eine klare Aussage. Zugleich forderte Aigner die Nutzer auf, persönliche Daten nur sparsam im Internet preiszugeben. "Soziale Netzwerke wie Facebook sind nicht kostenlos - wir bezahlen mit der Preisgabe unserer privaten Daten", warnte sie.

Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger übt Kritik an der Schufa. Eine Auswertung der Daten etwa des sozialen Netzwerkes Facebook, um darüber die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern zu beurteilen, sei nicht hinnehmbar, erklärte die FDP-Politikerin. Facebook-Freunde dürften nicht entscheiden, ob man einen Handy-Vertrag bekomme oder nicht. Die Auskunftei Schufa müsse völlige Transparenz herstellen.

Schufa will Beziehungen zwischen Facebook-Nutzern prüfen

Der NDR hatte berichtet, die Schufa lasse am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam (HPI) entsprechende Projektvorschläge entwickeln. Vertreter der Schufa und des HPI bestätigten die NDR-Recherchen.

Wie der Sender heute berichtet, will die Schufa in dem am 1. April beim HPI eingerichteten Forschungsprojekt mit dem Namen "Schufa-Lab@HPI" Kontakte von Facebook-Mitgliedern auf Beziehungen zwischen Personen untersuchen. Damit will die Auskunftei auch die Kreditwürdigkeit der Verbraucher prüfen. Zudem sei die Analyse von Textdaten denkbar, um "ein aktuelles Meinungsbild zu einer Person zu ermitteln".

Ebenso könnten die Wissenschaftler untersuchen, wie die Schufa über eigene Facebook-Profile oder Zugänge zum Kurznachrichtendienst Twitter verdeckt an "Adressen und insbesondere Adressänderungen" anderer Nutzer gelangen kann. Auch Personensuchmaschinen wie Yasni, Geodatendienste wie Google Streetview oder Mitarbeiterverzeichnisse von Unternehmen könnten Daten liefern. Angedacht sei auch die "automatisierte Identifikation von Personen öffentlichen Interesses, Verbraucherschützern und Journalisten".

Die Schufa will die Daten in einem Pool zusammenfassen, um sie für "existierende und künftige Produkte und Services" einzusetzen. Ziel sei es, "Chancen und Bedrohungen für das Unternehmen zu identifizieren und zu bewerten." Schufa-Vorstand Peter Villa sagte dem NDR, das Unternehmen wolle sich "durch wissenschaftlich fundierte Ergebnisse langfristig die Qualitätsführerschaft unter den Auskunfteien in Deutschland sichern".

Facebook schweigt zu den Berichten

In der Sammlung der Projektideen heißt es, es handele sich lediglich um Grundlagenforschung, die man zudem nach "höchsten ethischen Maßstäben" betreibe. Die Schufa betont, es gebe bisher keine Pläne, tatsächlich auf Daten aus Online-Netzwerken bei der Bonitätsbewertung zuzugreifen. Es handle sich nur um ein Forschungsprojekt, das Möglichkeiten und Grenzen ausloten solle, erklärte das Unternehmen. Facebook wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.

Bei Datenschützern stoßen die Pläne auf heftige Kritik und rechtliche Bedenken. "Sollte die Schufa die gewonnenen Daten tatsächlich einsetzen, wäre das eine völlig neue Dimension", sagte der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert NDR Info. Hinter einem solchen Forschungsprojekt stecke immer eine Absicht. Er zweifle daran, dass eine Umsetzung der Projektideen rechtlich haltbar sei.

Ähnlich äußerte sich Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. Wenn die privaten und persönlichen Datensammlungen zusammengeführt und ausgenutzt würden, wäre das "hochgefährlich", sagte Castello. Sie sprach von einer "Grenzüberschreitung".

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