Bericht der Vereinten Nationen:Syrische Truppen missbrauchen Kinder als Schutzschilde

Getötet, verstümmelt, gefoltert und sexuell misshandelt: In einem Bericht werfen die Vereinten Nationen dem Regime von Staatschef Assad schwere Verbrechen gegen Kinder vor und setzen Syrien auf eine "Liste der Schande". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußert sich zutiefst besorgt.

Den wehrlosesten unter den zivilen Kriegsopfern, den Kindern, widmen die Vereinten Nationen jedes Jahr einen eigenen Bericht. Nun haben die UN erstmals Syrien auf diese "Liste der Schande" gesetzt. Darin prangert die Staatenorganisation an, dass Kinder im andauernden Konflikt in dem Land getötet, sexuell misshandelt und als menschliche Schutzschilde missbraucht werden.

Bericht der Vereinten Nationen: Dieses Bild aus einem Video syrischer Aktivisten soll eine Szene aus der Stadt Daraa zeigen: Ein Mann trägt einen verletzten Jungen zu einem Krankenwagen.

Dieses Bild aus einem Video syrischer Aktivisten soll eine Szene aus der Stadt Daraa zeigen: Ein Mann trägt einen verletzten Jungen zu einem Krankenwagen.

(Foto: AFP)

Sowohl reguläre syrische Truppen als auch die mit ihnen verbündete Schabiha-Miliz hätten sich solche Übergriffe zuschulden kommen lassen, heißt es in dem UN-Bericht über das Jahr 2011, der von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vorgelegt wurde. Selbst neunjährige Kinder seien unter den Opfern, seien getötet, verstümmelt, willkürlich verhaftet, gefoltert, sexuell misshandelt und als menschliche Schutzschilde missbraucht worden. "In fast allen aufgezeichneten Fällen waren Kinder unter den Opfern von Militäroperationen der Regierungstruppen - einschließlich der Streitkräfte, der Geheimdienste und der Schabiha-Miliz", schreiben die Autoren des Berichts. Darin werden 32 Staaten genannt, in denen seit mindestens fünf Jahren staatliche Gewalt gegen Kinder ausgeübt wird. Ebenfalls neu auf der "Liste der Schande" sind Jemen und Sudan. Ban zeigte sich tief besorgt über die "inakzeptable hohe und wachsende Zahl" langjähriger staatlicher Gewalt gegen Kinder.

"Das Blutvergießen muss sofort aufhören"

In Syrien scheint eine friedliche Lösung des Konflikts immer weiter in die Ferne zu rücken, während die Gewalt zunehmend eskaliert. Das Regime setzt schwere Waffen ein gegen Aufständische, die offenbar immer besser ausgerüstet sind. Ban äußerte sich ergriffen über die "gefährliche Zunahme der Gewalt in ganz Syrien" und die Gefahr für die Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten. "Das Blutvergießen und die Kämpfe müssen sofort aufhören", forderte er.

Allein am Montag kamen syrischen Aktivisten zufolge landesweit mehr als 100 Menschen ums Leben. Die meisten Todesopfer habe es in der zentralen Provinz Homs, den Städten Al-Haffa und Latakia sowie in Deir as-Saur im Osten des Landes gegeben. Insgesamt habe die Gewalt mit wechselnder Taktik der Konfliktparteien zugenommen, heißt es in einer von Bans Sprecher verbreiteten Erklärung. Die Militäroperationen der Regierung führten dabei zu zahlreichen zivilen Opfern und zu Menschenrechtsverletzungen.

Assad-Gegner sind zunehmend besser bewaffnet

Zugleich beobachte man koordinierte Angriffe der Rebellen auf Regierungstruppen und zivile Einrichtungen. Angesichts von Berichten über einen Aufmarsch der Regierungstruppen um Al-Haffa forderte Ban für die UN-Beobachter im Land ungehinderten Zugang zu der Stadt. Vor dem UN-Generalsekretär hatte bereits der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan seine "ernste Sorge" über den Einsatz schwerer Waffen bei Angriffen der Regierungstruppen auf Rebellenhochburgen und über Berichte von zwischen den Fronten eingeschlossenen Zivilisten geäußert. Annan, der für die Vereinten Nationen und die Arabische Liga in dem Konflikt zu vermitteln versucht, rief alle beteiligten Seiten auf, Zivilisten zu schonen und für ihre Sicherheit zu sorgen. Jüngste Berichte über den Einsatz von Artillerie, Hubschraubern und Panzern in den Städten Al-Haffa und Latakia sowie die Angriffe in der Region Homs seien beunruhigend.

Die bewaffnete Opposition in Syrien setzt inzwischen verstärkt auf eine militärische Lösung des Konflikts. Auch mehren sich die Hinweise darauf, dass die Bewaffnung der Assad-Gegner jetzt deutlich besser ist als noch vor etwa zwei Monaten. Ein Nachrichtenportal der Aufständischen schrieb unter Berufung auf eine Brigade der Freien Syrischen Armee, in der Provinz Homs hätten Deserteure am Montag mehrere gepanzerte Fahrzeuge der Truppen von Präsident Baschar al-Assad zerstört. Außerdem hätten sich in einem Stützpunkt der Luftwaffe zahlreiche Soldaten und Offiziere den Deserteuren angeschlossen.

Staatliche Nachrichtenagentur meldet Tod von "Terroristen"

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, am Montag seien in Duma außerhalb von Damaskus zahlreiche "Terroristen" getötet worden. Auch ein Angehöriger der Sicherheitskräfte sei bei dem Gefecht in Duma ums Leben gekommen. Während eines weiteren Gefechts in der Provinz Latakia seien fünf Polizisten getötet worden. Im Damaszener Viertel Birse hätten die Regimegegner zwei Autos in die Luft gesprengt. Insgesamt drei Fahrzeuginsassen seien dabei ums Leben gekommen.

In Deir al-Saur wurden nach Angaben des Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kurz vor Mitternacht bei der Explosion eines in einem Auto versteckten Sprengsatzes mindestens fünf Menschen getötet. Viele weitere seien verletzt worden, teilte die in London ansässige Organisation in der Nacht zum Dienstag mit.

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