Bundespräsident in Hamburg:Gauck fordert mehr Offenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr

"Stütze unserer Freiheit", "Mut-Bürger in Uniform", "Teil des deutschen Demokratiewunders": Mit großen Worten hat Bundespräsident Gauck die Bundeswehr bei seinem Antrittsbesuch in Hamburg gewürdigt - und die Deutschen zu größerer Offenheit für die Streitkräfte aufgefordert. Auch Einsätze in Krisengebieten sollten nicht generell abgelehnt werden.

Gewalt als letztes, aber dennoch legitimes Mittel: Bundespräsident Joachim Gauck hat die Deutschen zu größerer Offenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr aufgerufen. Während seines Antrittsbesuchs bei der Führungsakademie in Hamburg bezeichnete er militärische Gewalt zwar als Übel. "Aber sie kann - solange wir in der Welt leben, in der wir leben - notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden oder zu unterbinden", sagte Gauck. Auf dem Balkan, in Afghanistan und vor Somalia sei die Bundeswehr heute im Einsatz gegen Terror und Piraterie und trage zur Lösung von Konflikten bei.

Gauck fordert mehr Offenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr

Bundespräsident Gauck, Verteidigungsminister de Maizière und Kapitänleutnant Völkel schreiten in der Clausewitz-Kaserne in Hamburg eine Ehrenformation des Wachbataillons ab. Es war Gaucks erster offizieller Besuch der Bundeswehr.

(Foto: dapd)

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte Gauck in der Hansestadt mit militärischen Ehren empfangen. Gemeinsam schritten sie eine Ehrenkompanie des Wachbataillons ab. Anschließend überreichten Kinder des evangelischen Kindergartens in der Bundeswehreinrichtung dem Präsidenten selbst gebastelte Papierblumen.

Gauck fand bei seinem Besuch deutliche Worte: In seiner Rede rügte er die Bürger für eine gewisse Arroganz gegenüber den Soldaten. Er stelle in der Bevölkerung eine Tendenz zum "Nicht-Wissen-Wollen" fest, kritisierte der Bundespräsident. Es sei zwar menschlich, nicht mit Leid und Terror behelligt werden zu wollen. Aber "'ohne uns' als purer Reflex kann keine Haltung sein, wenn wir unsere Geschichte ernstnehmen", sagte Gauck.

In zwei Diktaturen habe er selbst das Militär als eine "Begrenzung der Freiheit" kennengelernt, sagte Gauck. Die Bundeswehr sei hingegen Teil des deutschen "Demokratiewunders", das sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen des Landes vollzogen habe. Gerade den Deutschen müsse klar sein, dass Frieden und Freiheit nicht von allein entstünden. Eine funktionierende Demokratie erfordere "Aufmerksamkeit, Mut und manchmal auch das Äußerste, was ein Mensch geben kann: das eigene Leben".

Soldaten sind "Mut-Bürger in Uniform"

Im Gegenzug habe die Truppe einen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft sich bewusst mache, was den Soldaten abverlangt werde und vor welche Aufgaben sie in Zukunft gestellt würden. "All das darf nicht allein in Führungsstäben und auch nicht allein im Parlament debattiert werden", forderte Gauck. Derzeit aber sei die Bundeswehr im öffentlichen Bewusstsein nicht sehr präsent, und über ihre Einsätze werde nicht ausreichend in der Gesellschaft diskutiert.

Die Bundeswehr habe sich von unseligen militärischen Traditionen gelöst, betonte Gauck. Die Soldaten lobte er als "Mut-Bürger in Uniform". Heute sei die Bundeswehr eine "Stütze unserer Freiheit" und fest verankert in einer lebendigen Demokratie. "Sie hat unser Zutrauen verdient."

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