Szene München:Stadt der Verbote

Die Stadt München beschreit gerne ihre Gastfreundschaft und Gemütlichkeit. Dabei ist hier zumindest draußen eigentlich fast alles verboten, was Spaß macht. Weltstadt mit Herz? Das war einmal!

Judith Liere

Zum Charakter der Stadt München gehört es bekanntlich, immer wieder hinauszuposaunen, dass sie die schönste und tollste und lebenswerteste Stadt sei, die jemals auf dieser Erde erfunden wurde. Besonders laut beschreit sie ihre Gastfreundschaft und Gemütlichkeit. Aber, wie so oft im Leben: Wer am lautesten schreit, hat nicht automatisch recht.

Aufbau für das Münchner Oktoberfest, 2011

Zwar darf man durch München noch mit Schuhen laufen, aber alles andere ist eigentlich verboten.

(Foto: Stephan Rumpf)

München erinnert an Freunde, die man von früher kennt: Bei ihnen zu Hause hat man mal legendär wilde Partys gefeiert, heute zwingen sie einen, die Schuhe auszuziehen und zum Rauchen auf den Balkon zu gehen, auf Socken - das ist Gastfreundschaft, die aus Freunden bloß Gäste macht.

Zwar darf man durch München noch mit Schuhen laufen, aber alles andere ist eigentlich verboten. Kommt Besuch aus anderen Städten, bleibt der nach einem lauen Sommersamstagabend fassungslos und voller Fragen zurück: Darf ich hier rauchen? - Nein, das ist verboten. - Okay, können wir dann in eine Raucherbar gehen? - Nee, überall verboten. - Dann lass' uns vor die Tür gehen und da eine rauchen. - Ja, aber das Bier muss drinbleiben. - Warum das denn? - Ist verboten. - Na gut, lass uns trotzdem draußen weiter reden. - Laut reden ist verboten, das stört die Nachbarn. - Hm.

Da vorn war doch dieser hübsche Platz mit dem Theater, wollen wir uns stattdessen da auf die Stufen setzen? - Verboten. - Dann halt auf den Rasen. Bier trinken ist aber schon noch erlaubt hier, oder?! - Ja, noch, aber es gibt Überlegungen, das zu verbieten. - Und was machen die ganzen Leute dann im Sommer abends? - Zuhause bleiben. Und sich beim KVR beschweren, wenn jemand vor der Kneipe unter ihrer Wohnung steht und redet. Der Trachtenvogl etwa, ein Café, das es seit fast zehn Jahren in der Reichenbachstraße gibt, muss mittlerweile um 22 Uhr zumachen.

Ach, München. Erst wenn die letzte Bar geschlossen, der letzte Platz geräumt und das letzte Lachen nach 23 Uhr verboten wurde, wirst du merken, dass man so keine Weltstadt mit Herz bleibt - und dass "München mag dich" einfach nur gelogen ist.

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