Botschaft aus Attaching::Danke, München!

Die Dortbewohner weinen vor Freude und feiern bis spätnachts - der Bürgerentscheid könnte ihren Ort gerettet haben

Kerstin Vogel

Ich freu mich so, ich könnt heulen", sagt Katharina Spitzenberger - und prompt kommen ihr wieder die Tränen. Es sind Freudentränen, natürlich, denn der Ausgang des Münchner Bürgerentscheids am Sonntag hat den Menschen in Attaching wieder Hoffnung auf eine Zukunft in ihrem Dorf gegeben. Keine dritte Startbahn, das hieße, dass niemand wegziehen muss, dass es nicht noch mehr Lärm und Dreck geben wird und dass der Dorfladen und der Sportverein einfach weiter existieren können.

Zusammen mit der Dorfkramerin steht Katharina Spitzenberger an diesem Montagmorgen vor dem kleinen Grabstein am Maibaum, auf dem die Attachinger den Tod ihres Dorfes durch den Startbahn-Bau beklagen. Die beiden Frauen freuen sich über die beschriftete Folie, die jemand schon ganz früh über den schlichten Stein gehängt hat. Der Dank der Dorfbewohner ist da eiligst festgehalten worden.

Der Dank an die Münchner, die sich am Sonntag mit 54,3 Prozent doch recht eindeutig gegen den weiteren Ausbau des Flughafens ausgesprochen haben. Der Dank auch an alle, die sich in den vergangenen Wochen mit großem persönlichen Einsatz gegen die Startbahn stark gemacht haben: das örtliche Bündnis "Aufgemuckt", der Bund Naturschutz, das Münchner Anti-Startbahnbündnis oder die Aktivisten von Plane Stupid, einem Bündnis gegen den weiteren Ausbau der Luftfahrt.

Doch die Spitzenbergers haben sich zusammen mit anderen Attachingern auch schon persönlich bedankt. Ohne den enormen Einsatz der jungen Leute rund um die Münchner Grünen-Chefin Katharina Schulze hätte man es wohl nicht geschafft, sagt Spitzenberger. "Die haben so viel gemacht, das war Wahnsinn." Also sei man am Sonntagabend, als das Ergebnis feststand, noch in den Stemmerhof nach München gefahren, um dort mit den anderen Startbahngegnern zu feiern - und eben danke zu sagen. Denn ein bisschen Angst haben sie schon gehabt in Attaching: Dass sich die Münchner am Ende doch für den Ausbau des Flughafens aussprechen könnten, deutlich wohlmöglich. Das hätte den Abwehrkampf schon sehr geschwächt, sagt Katharina

Spitzenberger: "Ich hab' schon davon geträumt, dass nur 37 Prozent für uns stimmen."

Zu denen, die nun wieder ein bisschen optimistischer in die Zukunft blicken können, gehört auch Dorfkramerin Barbara Ziegltrum. Handgemalte Plakate hat sie an ihre Schaufenster gehängt - auch mit dem Dank an die Münchner und dem Kommentar "Wow!" Auf einem anderen Blatt steht: "So gefällt es uns. Wir sind das Volk." Ziegltrums Laden ist an diesem Morgen einmal mehr das Kommunikationszentrum im Ort - aber so fröhlich ist es dort schon lange nicht mehr zugegangen, wie sie sagt. Sie selber war im Biergarten, als ihr eine Freundin die ersten Ergebnisse der Auszählung meldete. Geglaubt hat sie an den Erfolg erst viel später, als es wirklich ganz, ganz sicher feststand, denn: "Wir waren in Attaching sieben Jahre lang nur schlechte Nachrichten gewohnt." Als aber Franz Spitzenberger, der Chef der örtlichen Bürgerinitiative, irgendwann wild hupend durch den Ort gefahren sei, da sei sie zum Jubeln auf die Straße gerannt - und die große Bushupe der Familie, die sonst für Fußballspiele reserviert ist, die durfte an diesem Abend nur für den Bürgerentscheid betätigt werden.

Ins Bett gekommen sind die Startbahngegner in dieser Nacht sehr spät. "Bis um drei haben wir geredet und geredet", erzählt Katharina Spitzenberger: "Wir wussten gar nicht, wo anfangen und wo aufhören. Es ist so eine Last von uns abgefallen."

Auch Christa Plötz war bis um drei auf und hat ihren Computer nach immer neuen Nachrichten durchforstet, wie sie lachend erzählt. Mitten durch den Garten der Familie Plötz verläuft die Grenze, die Attaching seit dem Planfeststellungsverfahren spaltet: in einen Teil, der mit der Flughafenerweiterung Anspruch auf Entschädigung hätte, und einen, der leer ausginge. Christa Plötz würde nur für ihren Garten, nicht aber für das Wohnhaus entschädigt; und die Sorge, wohin sie gehen sollte, wenn sie wirklich absiedeln müsste, treibt sie schon um. "Dankbar" ist sie deshalb, dass der Bürgerentscheid so ausgegangen ist, ihre Zukunft, so sagt sie, sehe nach diesem "Super-Sonntag" wieder etwas besser aus.

Bei aller Freude aber bleibt in Attaching auch ein Rest Misstrauen: "Denen fällt sicher etwas ein, wie sie die Startbahn trotzdem bauen können", da ist sich Plötz sicher. Die Flughafenbetreiber hätten ja schon angekündigt, dass sie nicht aufgeben würden. Die Angst, "dass Seehofer trotzdem baut", hat auch Barbara Ziegltrum - auch wenn man sich bei ihr im Laden einig ist, dass da "schon das Demokratieverständnis des Ministerpräsidenten auf dem Prüfstand steht". Auch Agnes Schranner aus Eittingermoos, die an diesem Morgen in Attaching einkauft, ist überzeugt, "dass die versuchen werden, rumzutricksen". Mit dem Erfolg des Bürgerentscheids im Rücken ist sie sich aber auch sicher, dass das nicht gelingen wird: "Wir bleiben dran und wir werden gewinnen."

Auch Katharina Spitzenberger will ganz sicher "dranbleiben" - nur nicht sofort. 14 Tage Pause habe man sich jetzt verordnet, sagt sie, und die wollen sie genießen. Christa Plötz freut sich an diesem Montag auf einen ganz speziellen Aspekt des vorläufig wieder intakten Dorflebens: "Heute Abend", sagt sie, "heute Abend gehe ich mal schauen. Irgendwo wird heute bestimmt gefeiert und da bin ich dann dabei."

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